MICHAEL OSTROWSKI: „DER ONKEL“


Michael Ostrowski ist Regisseur, Schauspieler und Moderator. Im Frühjahr hatte er in seiner Heimat mit dem Film „Der Onkel“ einen großen Publikumserfolg. Dazu schrieb der Österreicher auch das Drehbuch.
Und nun legt Ostrowski dazu unter demselben Titel seinen Debütroman vor. Doch es sei vorweg gesagt: es mag zwar grundsätzlich dieselbe Geschichte sein, aber dieser Roman ist alles andere als einfach ein dem Film nachgeschriebenes Buch, das diesen noch einmal rekapituliert, sondern eine, nun ja, eine Spezialität.
Ostrowski spielte im Film den Onkel, diesen umtriebigen Kleinkriminellen Mike Bittini. Dessen einzige Dauerunterkunft derzeit sein Ford Escort ist und der zum Auftakt seine Meisterschaft mit kleinen Tricksereien aufblitzen lässt. Da übertölpelt er ein paar migrantische Taxifahrer mit gezinkten #würfeln und entkommt den Düpierten auf abenteuerlich Weise.
Um sich dann in ein schniekes Vorstadthaus einzuschleichen. Das allerdings nicht irgendjemandem gehört, sondern seinem Bruder Sandro, mit dem er in der Jugend durch Dick und Dünn gegangen ist. Der erfolgreiche Rechtsanwalt liegt nun seit ein paar Tagen auf der Koma-Station im Krankenhaus.
Seine Kinder Stefanie und Niki wickelt „Onkel Mike“ schnell mit seinem exzellenten Blick für menschliche Eigenarten und Schwächen um den Finger. Sandros Gattin Gloria dagegen ist so gar nicht begeistert, dass er nach 17 Jahren gänzlicher Abwesenheit und Funkstille plötzlich hier aufkreuzt und auch noch versucht, sich im Haus einzunisten.
Eines so dreisten Schlitzohrs und Schlawiners wie Mike kann man sich nur schwer erwehren, zumal er und Gloria früher mal ein Paar waren. Und dann wären da noch die innerfamiliären Spannungen mit der aufsässigen 17-jährigen Stefanie, die abhauen will, und dem spillerigen 14-jährigen Niki, der nicht nur unter massiven Pubertätsmacken leidet.
In dieser Gemengelage spielt aber auch das Nachbarpärchen eine schrille Rolle. Der überdiensteifrige Polizist Udo wittert nicht nur, dass mit Mike einiges nicht stimmt, er verzweifelt auch schier mit seiner Kontrollsucht an Ehefrau Jenny. Die leidet an bipolaren Störungen und das auch beim Dienst als Nachtschwester auf der Koma-Station, auf der auch Sandro liegt.
Nicht nur diese Beiden werden vorm nimmermüden Mike – wozu er gern mal mit der ein oder anderen Dope nachhilft – in kritische Phasen gestürzt. Da rotiert die verunsicherte Gloria, nur mit Mühe kann deren herrschsüchtige Mutter aus dem Haus komplimentiert werden, und schließlich kommt es zu einer Party im Hause Bittini, bei der es zum Schreien schräg und chaotisch zugeht. Wobei das Vergnügen aber mehr beim Leser liegt, der längst einen Lachmuskelkater hat.
Das alles ist total abgefahren, anarchisch und aufs Intensivste von austriakisch schwarzem Humor durchzogen. Und – nun ist erst Halbzeit und jetzt wird es auch noch schwerkriminell! Und so spannend, dass man das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen mag. Da geht es auch um Schmiergelder für Grundstücksschiebereien und der im Koma liegende Sandro hat auch keine ganz weiße Weste und Mike hegt alte Gefühle. Und überhaupt darf man mehr von dieser Achterbahnfahrt in einem Stil, als hätte Ostrowski es auf voller Dröhnung in einer wilden genialischen Nacht geschrieben, gar nicht verraten. Wer es richtig schräg mit rücksichtslosem Humor und auch sprachlich deftig österreichisch mag, wird mit diesem abgedrehten Roman ein ebenso intelligentes wie anarchisches Lesevergnügen erleben.

 

# Michael Ostrowski: Der Onkel; 319 Seiten; Rowohlt Hundert Augen, Hamburg; € 24

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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