DAN McCRAUM: HOUSE OF
WIRECARD
Am 25. Juni 2020 sagte Dan McCrum zu seiner Familie: Die bösen Jungs kommen ins
Gefängnis. Gemeint waren die Spitzenmanager des DAX-Unternehmens Wirecard AG und
der britische Investigativjournalist hatte soeben dessen kriminelles Kartenhaus in die
Insolvenz geschickt.
Unter dem Titel House of Wirecard. Die ganze Geschichte hat er all das
niedergeschrieben, was für den Normalverbraucher zu gewaltig und zu komplex in seinen
Dimensionen und seiner allgemeinen Bedeutung war, um es so recht verstehen zu können. Der
Subtitel deutet seine Rolle in diesem Skandal an: Wie ich den größten
Wirtschaftsbetrug Deutschlands aufdeckte und einen DAX-Konzern zu Fall brachte.
Was da an jenem Juni-Tag sein vorläufiges Ende fand, war ein
Wirtschaftskrimi, wie ihn kein Autor hätte besser erfinden können. Und McCrum ist als
mittlerweile vielfach ausgezeichneter Journalist der Richtige, um dieses Abenteuer
voller Lügen, Spione und schmutzigen Geldes ebenso persönlich wie spannend
darzulegen.
Im Sog der Gier begann Wirecard ursprünglich als Bezahldienstleister für
Online-Pornoportale und Online-Glücksspiele. Die entscheidenden Köpfer hinter dem rasant
aufsteiogenden Unternehmen waren Markus Berger, der Vorstandsvorsitzende, und sein CEO Jan
Marsalek, beide Österreicher. Bereits 2009 lag der Börsenwert der nahe München
sitzenden Firma bei 325 Millionen Euro.
Da jedoch vor allem Gesetzesänderungen in den USA die Umsätze wegbrechen ließen,
stiegen die Macher vollends um auf die tatsächlichen Betätigungsfelder Bilanzbetrug,
Fälschung, Korruption und Geldwäsche. Für den weiteren Erfolg wurden nun Umsätze und
Gewinne erfunden und vor allem in Asien kleinere Firmen aufgekauft und mit ihnen die
Bücher frisiert.
Es war System, dass weder die Investoren noch die Aufsichtsbehörden wirklich verstanden,
was sich in dem raffinierten Geflecht von Tochterfirmen und Geldverschiebungen abspielte.
Und das mit ungliuablichem Erfolg, so dass bereits 2020 bei der Umstellung auf die
gänzlich professionalisierten Luftnummern ein Börsenwert von einer Milliarde Euro
überschritten wurde.
Die Hype aber ging immer weiter, Wirecard überflügelte inzwischen bereits zum
DAX-Unternehmen aufgestiegen - am Aktienmarkt selbst die Deutsche Bank und galt noch als
seriös, als längst hunderte Millionen und schließlich sogar Milliarden Euro von
Investoren und Banken gestohlen wurden. Dabei liebten die Anleger die Gauner-AG, die im
Übrigen von den Politikern hofiert wurde.
Während eine große namhafte Wirtschaftsprüfungsfirma bei ihren alljährlichen
Bilanzprüfungen bis zuletzt nichts Verdächtiges entdeckte und damit die
Vertrauenswürdigkeit untermauerte, waren einem Manager der Filiale in Singapur
Ungereimtheiten aufgefallen. Er meldete dies an die Spitzenmanager in München, die jedoch
nichts unternahmen, sondern ihn stattdessen entließen.
Zu dieser Zeit war Dan McCrum längst an der Geschichte dran, weil ihm schon länger
Anhaltspunkte für Unsauberkeiten in großem Stil aufgefallen waren. War er bisher jedoch
auf massiven Widerstand bei und durch Wirecard gestoßen, wurde der Insider aus Singapur
nun zum entscheidenden Whistleblower, Doch die Story ist brandheiß und Wirecard setzt
Hacker, Spione und Drohungen sein.
Erschwerend kam hinzu, dass die Aufsichtsbehörde Bafin wie auch die Staatsanwaltschaft
München jegliche Verdachtsmomente nicht nur ignorierten, sondern sogar juristisch gegen
McCrum als mutmaßlichen Aktienmanipulator vorgingen. Mittlerweile war der Aktienwert des
allseits bewunderten und gehätschelten Konzerns im Jahr 2018 auf über 20 Milliarden
aufgebläht.
McCrum aber gab nicht auf, arbeitete zeitweise in einem Bunker bei seinem Arbeitgeber, der
Financial Times in London, und das nur noch offline und abends verschloss er
seine Notizen in einem schweren Tresor. Und dann steht die Story eines unfassbaren
Wirtschaftsskandals und droht in London durch juristische Fallstricke ausgebremst zu
werden.
Doch hier kommt der zweitwichtigste Akteur ins Spiel: Lionel Barber, Chefredakteur der FT.
Und der will diese Recherche gedruckt sehen. Als dann am 30. Januar 2019 mit einer
gesäuberten Version der publizistische Durchbruch gelingt, steht der
Börsenwert des Schwindelunternehmens bei irren 21 Milliarden Euro Börsenwert. Doch
McCraums Artikel wurde zum Todesstoß für das Kartenhaus und am 22. Juni 2020 musste
Wirecard öffentlich zugeben, dass 1,9 Milliarden Euro in Asien verschwunden
seien.
Es ist jedoch evident, dass dieses Geld nie existiert hatte. Sieben Jahre intensive
Recherche eines hartnäckigen Journalisten sorgten dafür, dass die Wirecard AG am 25.
Juni 2020 mit dem Insolvenzantrag ihr Ende einläuten musste. Wirecard-Chef Markus Braun
kam in Untersuchungshaft, CEO Jan Marsalek setzte sich über Nacht nach Belarus ab.
Abgeschlossen ist der gewaltige und noch immer schwer durchschaubare Fall bis heute nicht.
Diese Chronik vom Aufstieg, den Ermittlungen und dem Fall dieses kriminellen Ikarus aber
ist eine fesselnde und absolut filmreife Lektüre.
|