MICHAEL SOMMER: DARK
ROME
Zustände wie im alten Rom? Ob als Schulstoff oder klassischer Film und selbst im
Großteil vor allem älterer wissenschaftlicher Bücher zum Thema wirkt die Darstellung
meist geradezu aseptisch. Selbst bei erwiesenermaßen sittenlosen Zeitgenossen wie einem
Kaiser Caligula blieb vieles nur angedeutet.
Dem ist nun Michael Sommer, Professor für Alte Geschichte an der
Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, mit seinem Sachbuch Dark Rome. Das
geheime Leben der Römer entgegengetreten. Ohne moralisierende Scheuklappen hat er
gewissermaßen das pralle Leben von der aufstrebenden Stadtrepublik bis zumr Metropole des
Weltreichs wissenschaftlich untersucht.
Schon Kapitelüberschriften wie Von verschlossenen Türen und gemeinen Orten,
Von Kaisern und Kurtisanen oder Von Giftmischerinnen und
Drogendealern lassen ahnen, dass der Sittenkodex ein Flickenteppich war und Recht
und Ordnung eher als hehre Worte in großen Reden dienten. Der Historiker hat den gesamten
Komplex öffentlichen und privaten Miteinanders untersucht von der Politik und dem
Militär, von der Gesellschaft bis ins Verborgene.
Intrigen, Verschwörungen und Korruption gab es zuhauf, eine Staatlichkeit in unserem
Sinne dagegen nicht. Dieses Rom war eben nicht wohlgeordnet wie in unseren
Geschichtsbüchern, vielmehr waren Kriminalität, Unsicherheit und Sittenlosigkeit ebenso
Normalität im Alltagsleben wie die Hygieneprobleme einer antiken Stadt, die in ihrer
Hochzeit eine Million Einwohner hatte.
Da stank es von Kloaken, von Gerbereien, von Abdeckereien und Leichenverbrennungen und ein
Bad in dem als Abwasserkanal missbrauchten Tiber hätte garantierte Folgen gezeitigt.
Neben großer Geschichte unter anderem um die langjährigen Konflikte mit den Karthagern
gibt es all das, was eine wuchernde Gesellschaft ausmacht.
Wie in zwei Welten lebten da vor allen in höheren Kreisen die Geschlechter, denn während
die Männer fast alles durften, mussten sich die Damen der Gesellschaft schon wegen des
Nachwuchses an strenge Sittenhalten. Was in den einfachen Massen von untergeordneter
Bedeutung war und das Heer der Sklaven war ohnehin Verfügungsmasse.
Einen regelrechten wissenschaftlichen Blick durchs Schlüsselloch bietet Michael Sommer
und er entlarvt dabei auch so manche vermeintliche Lichtgestalt auf dem Kaiserthron. Hinzu
kommen Scharen von Gaunern bis hin zu Meuchelmördern. Sehr plastisch nachvollziehbar wird
hier zum Beispiel, wie absolut lebensgefährlich das Reisen in jenen Jahrhunderten des
mächtigen Reiches wegen all der Wegelagerer und mangels einer Einrichtung wie einer
Polizei war.
Blickt man dann hinter die Kulissen dieses geheimen Lebens in dessen Untergrund und
nächtlichem Treiben sich auch eine solch ominöse Sekte wie die Christen aus Palästina
gut entwickeln konnten sieht man eine erstaunliche Dekadenz mit manch
unappetitlichen Details. Fazit: eine spannende Ermittlungsarbeit, die den Blick auf die
römische Hochkultur und Weltmacht erheblich realistischer macht.
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