MYA-ROSE CRAIG: „BIRDGIRL“


Dies dürfte eines der ungewöhnlichsten Bücher des Jahres sein: die Memoiren einer 20-Jährigen. Die aber bereits mit 17 Jahren die Ehrendoktorwürde der Universität Bristol erhielt, einen Blog mit weltweit Millionen Aufrufen führt und mehrfach mit der ein Jahre jüngeren Greta Thunberg vor zehntausenden von Menschen auf Klimakundgebungen sprach.
„Birdgirl. Meine Familie, die Natur und ich“ ist das Buch überschrieben. Den längst allenthalben bekannten Spitznamen der Vogelkundlerin und Aktivistin legte sie sich zu, als sie beim sogenannten Birding in Ekusador weilte und eine griffige Email-Adresse benötigte. Mit richtigem Namen aber heißt sie Mya-Rose Craig, 2002 in eine vogelverrückte Familie hineingeboren.
Sie aber ist nach eigenem Bekunden und glaubhaft die verrückteste von allen. Was kaum verwundert, haben die Eltern sie doch einerseits schon im Alter von gerade neun Tagen erstmals zu einer Vogelbeobachtung mitgenommen. Andererseits waren es die zahllosen Unternehmungen als Birder, die die Familie gerettet haben.
Immer wieder schildert die Autorin, wie die mentale Krankheit ihrer Mutter Helena für Aufruhr sorgte. Ausflüge und oft monatelange naturkundliche Reisen halfen meist. Doch erst mit 40 wurde endlich festgestellt, dass Helena unter einer bipolaren Störung leidet. Der Familienzusammenhalt spielt auch deshalb eine immense Rolle und bezeichnenderweise lautet die erste Kapitelüberschrift „Meine Familie und andere Vögel“.
Und stets stellt die ebenso persönlich wie anschaulich erzählende Mya-Rose die kurze Vorstellung einer Vogelart an den Kapitelanfang. Die Memoiren insgesamt beginnt sie mit der Geschichte, wie sich ihre Eltern kennengelernt haben: der junge, durch und durch englische Ingenieur und die bildschöne Juristin, deren muslimische Eltern aus Bangladesch stammen.
Das Familienleben wird einerseits immer wieder von Schüben der Mutter beeinträchtigt, andererseits führt es die Vogelverrückten immer und immer wieder in die Welt hinaus mit exotischen Zielen. Was erklärt, dass Mya-Rose Craig mit eben 20 schon über 40 Länder und sämtliche Kontinente besucht hat. Vor allem aber hält sie unglaubliche Rekorde, so sah und registrierte sie bereits bis zum 13. Lebensjahr die 5000. Vogelart – von weltweit rund 10.000 – im Regenwald am Amazonas.
Natürlich stehen sehr viele, oft aufregende Vogelbeobachtungen, eben das Birding, im Mittelpunkt der Schilderungen. Aber auch die ein oder andere schräge Episode wie die mit der viele Zentimeter langen Made der ghanaischen Tumbufliege, die man der Neunjährigen aus der Kopfhaut entfernen musste.
Doch Dr. h.c. Craig ist ja nicht nur das Birdgirl und eine Klimaaktivistin von großer Bedeutung an der Seite von Greta Thunberg. In der Schule erlebte sie als unübersehbare 'Person of Colour' Diskriminierungen und wurde Zeugin von Islamophobie. Was sie mit 16 Jahren dazu brachte, „Black2Nature“ zu gründen, eine Organisation für Naturschutz und Diversität.
Und es war dieses vielbeachtete Engagement, das ihr die Ehrendoktorwürde eintrug. Seit ihrem Abitur mit 18 studiert sie Human-, Gesellschafts- und politische Wissenschaften in Cambridge – wenn nicht gerade das nächste Birding oder eine Kundgebung von „Youth Strike 4 Climate“ ansteht.
Sie schreibt das alles ebenso anrührend wie mitreißend und dabei wohltuend uneitel. Memoiren mit 10 Jahren? Ja, denn diese bereits vielfach ausgezeichnete junge Frau ist außergewöhnlich, hat wirklich schon etwas zu erzählen und tut dies mit großer Souveränität.

# Mya-Rose Craig: Birdgirl. Meine Familie, die Natur und ich (aus dem Englischen von Andrea Fischer); 399 Seiten; Krüger Verlag, Frankfurt; € 23

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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