JAMES ELLROY: „ALLGEMEINE PANIK“


James Ellroy ist ein Autor der besonderen Art. 1948 geboren und durch den Mord an seiner verlotterten Mutter mit zehn Jahren bereits Waise geworden, driftete er abwärts zur kaputten Type mit denkbar schlechtester Sozialprognose. Bis er als extrem raubeiniger Krimiautor Erfolg hatte und das mit zahlreichen Bestsellern, die teils auch verfilmt wurden.
Seine besondere Leidenschaft gehört bis heute dem L.A. Noir der 40er und 50er Jahre und hier tauchte er nicht nur tief ein in die hintergründige Verkommenheit jener Tage. Mehrfach bediente er sich auch eines schrägen Vogels, den er als fiktionalisierten Helden durch seine Krimis geistern ließ: Fred Otash (1912-1992).
Ihn gab es wirklich und vom Polizisten über den Privatdetektiv bis hin zum gefürchteten Skandal-Reporter schlug er sich durch Los Angeles, wobei er sich besonders gern Hollywood und seiner moralfreien Gesellschaft widmete. Nun hat James Ellroy erneut zugeschlagen und Fred Otash steht ungebremst im Mittelpunkt von „Allgemeine Panik“, so der Titel des gewaltigen Schmökers.
Und er hat sich eine sehr glaubhafte Konstruktion ausgedacht: Fred Otash hat vor Jahren das Zeitliche Gesegnet und sitzt trotz seines Riesenpaktes an Sünden immer noch in der Vorhölle. Oder wie er es im angemessen rüden Jargon nennt, dem „Perversen-Purgatorium“. Um endlich ans Ziel zu kommen – bei einem wie ihm also die wirkliche Hölle – hat er sich jetzt zur großen Lebensbeichte entschlossen.
Seine Spezialität war einst das Agieren als „Hollywood—Fixer“, einem Kümmerer, wenn Filmstudios oder einer der Wichtigen oder Mächtigen Probleme hatte, die es unbürokratisch“ zu lösen galt. Otash aber, von Grund auf korrupt, geldgierig und dauergeil auf schöne Frauen, schob manche Skandale erst selbst an.
Und dann fand er als Skandalreporter zu seiner eigentlichen Berufung, als er aus den eigenen niederen Gelüsten mit skrupelloser Verderbtheit ein erstaunlich gut florierendes Geschäftsmodell machte. Schmierige Skandale, heikle Geheimnisse und abgründige Verstrickungen füllten die Frontseiten des Klatschblattes „L A Confidential“ mit Sensationsgeschichten.
Oder Otash sorgte dafür, dass sie – gegen reichlich Geld, Gefälligkeiten oder weitere Enthüllungen – eben nicht veröffentlicht wurden. Geheimes Abhören, Erpressungen und Schmieren, der selbstgefällige Ich-Erzähler schreckte vor keiner Sauerei zurück und wurde zu einem der am meisten gefürchteten Männer der Film-Metropole.
Und James Ellroy/Fred Otash nennen Namen und Verfehlungen von John F. Kennedy über Marilyn Monroe und Liz Taylor bis hin zu Sudelkram und Abartigkeiten von James Dean und Rock Hudson – großenteils belegt oder nah an der Wahrheit. „Ich schwimme in den kranken Geheimnissen, nach denen ich mich ein Leben lang leidenschaftlich verzehrt habe.“
Als er sich schließlich in eine Mordaffäre im Kommunistenmilieu und andere Kriminalfälle verstrickt, ist auch das noch lange nicht das Ende seiner ruchlosen Karriere. Nur muss er jetzt eben sein Handwerk für andere ausüben. Und so geht es bis zuletzt weiter, rüdem unverschämt und frei von jeglichen Moralvorstellungen.
Dieser Roman schaut in wahre Abgründe und man darf davon ausgehen, dass vieles hier nicht einfach der Fantasie des Autors entsprungen ist. Fazit: ein hemmungsloses wildes Stück 'hard-boiled' Kriminalliteratur, für das man wahrlich nicht zartbesaitet sein darf.

# James Ellroy: Allgemein Panik (aus dem Amerikanischen von Stephen Tree); 431 Seiten; Ullstein Verlag, Berlin; € 26

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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