CASTLE FREEMAN: EIN MANN MIT
VIELEN TALENTEN
Sieben Jahre hat es gebraucht, bis Castle Freemans hinreißende Faust-Variante endlich
auch auf Deutsch vorliegt. Und es sei vorweg verraten; dieser Roman mit dem Titel
Ein Mann mit vielen Talenten ist eine längst überfällige Offenbarung.
Der Erfolgsautor aus Vermont führt einmal mehr in diesen etwas hinterwäldlerischen
US-Bundesstaat, wo der ausgemusterte Englisch-Lehrer Langdon Taft ein Problem hat.
Eigentlich geht es dem fantasielosen Eigenbrötler ja ganz gut, wenn da nur nicht diese
gähnende Langeweile in seinem Leben wäre.
Da ist ihm der wie aus dem Nichts auf seiner Veranda erscheinende Mister Dangerfield eine
willkommene Abwechslung. Attraktiv, charmant und wortgewandt macht er Taft ein
verlockendes Angebot und der durchschaut natürlich sofort, dass dieser feine Herr mit
mephistophelischen Absichten gekommen ist.
Doch Taft, der zwar ein Vormittagstrinker ist, ansonsten aber jeglichem Glauben an Himmel
und Hölle ebenso abhold ist wie irgendwelchen Lastern, reagiert trocken und mäßig
beeindruckt. Als ihm Dangerfield als Demonstration seiner Talente statt der als Test
gewünschten vier neuen Autoreifen gleich einen ganz neuen Wagen herbeischafft, stellt er
trocken fest: Jedenfalls heben Sie mir nicht gegeben, was ich wollte.
Dennoch und obwohl ihm der Kundenbetreuer aus der Hölle unumwunden klar macht, dass es
das Darlehen an Talenten nur auf sieben Monate und mit der seit dem
Faust bekannten Gegenleistung gibt, lässt sich Taft auf den Handel ein. Wobei
Dangerfield offenbar nicht begriffen hat, dass dieser Geschäftspartner ein denkbar aus
der Art geschlagener Zeitgenosse ist.
Prunk und Protz interessieren ihn kein bisschen und eine Ader für Gier fehlt ihm auch.
Stattdessen setzt er die verliehenen Talente mal für Hilfsaktionen der sublimen Art, mal
für Bestrafungen übler Typen, aber nicht für eigensüchtige Zwecke ein. Dangerfield
nervt seine Nörgelei, obwohl er doch wirklich sehr hilfreich ist. Taft mault trotzdem
selbst nach einer Lebensrettung: Man erwartet schließlich ein bisschen
Dramatik.
Dass dieser von köstlich funkelnden Dialogen durchsetzte Ringelreihen zwischen dem
selbstverliebten Mephisto und dem pedantischen Gegen-Faust so wunderbar funktioniert,
liegt dabei nicht zuletzt an der adäquat eingebrachten Berglandschaft Vermonts und den
ebenfalls stark gezeichneten Nebenfiguren. Allen voran die störrische
Seniorenheimbewohnerin Calpurnia, 98 Jahre alt, aber mit hervorragendem Gedächtnis und
auch sonst nicht ganz ohne.
Und als die Zeit abläuft? Da sei nur noch verraten, dass es eine ebenso überraschende
wie elegante Wendung gibt. Fazit: ein kleiner ganz großer Roman, absolut filmreif (man
stelle sich zum Beispiel Christoph Waltz als diesen Mephisto vor!) und ein literarischer
Genuss sondergleichen.
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