MARTIN HERZOG: „GSG 9 – EIN DEUTSCHER MYTHOS“


Als am 5. September 1972 der Versuch, die Geiseln aus der israelischen Olympia-Mannschaft aus den Händen palästinensischer Terroristen zu befreien, geriet das zu einem peinlichen Fiasko. Und es führte zur Gründungsstunde der Antiterroreinheit GSG 9.
Martin Herzog, der schon wiederholt Dokumentationen fürs Fernsehen über die Einheit produziert hat, legt zumj 50-jährigen Bestehen der Grenzschutzgruppe 9 – so ihr ursprünglicher Name – eine umfassende Geschichte dazu vor. „GSG 9 – Ein deutscher Mythos“ lautet der Titel und der Autor hat dafür intensiv recherchiert, aber auch Zeitzeugen interviewt.
Manches musste aus Geheimhaltungsgründen eingeschränkt bleiben und grundsätzlich sind auch nur Name und Gesicht des jeweiligen Kommandeurs für die Öffentlichkeit bestimmt. Was naheliegend ist, denn diese Spezialtruppe gegen Terrorismus und Schwerstkriminalität hat naturgemäß viele Feinde „auf der anderen Seite.“
Ausgangspunkt war die Olympiade in München von 1972 und die Tragödie, die die „heiteren Spiele“ auf immer beflekcen wird. Das Sicherheitskonzept lag auf Grund des Föderalismus in bayerischer Hand und schon vor Beginn der Olympiade nannte Ulrich Wegener, Oberstleutnant im Bundesgrenzschutz und Adjutant von Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher, es als lasch und quasi nicht existierend an.
All die Fehler und obendrein des Fehlen einer Eingreiftruppe der Polizei ließen den nicht wirklich unwahrscheinlichen Überfall in einem Debakel quasi mit Ansage enden. Zu dem Bundeskanzler Willy Brandt feststellte: „Ein erschreckendes Dokument deutscher Unfähigkeit.“ Ums o leichteres Spiel hatte Innenminister Genscher dann wenige Tage später in der Innenministerrunde, die Aufstellung einer Spezialeinheit beim Bund durchzusetzen.
Es liest sich spannend, wie nun im Eiltempo von der Gründung am 26. September 1972 an die GSG 9 entstand. Wobei deren Konstruktion wie auch Chef Wegener im BGS ungeliebt waren. Immerhin bildete er mit seinen rund 200 Mitarbeitern eine eigene Abteilung und er hatte direkten Zugange zum Minister. Was da im Verborgenen unmilitärisch pragmatisch aufgebaut wurde, wich tatsächlich von allen bekannten Mustern ab. Selbst von denen der wenigen ähnlichen Einheiten wie der britischen SAS, die ja dem Militär angehörte.
Ein steter Grundatz war denn auch: „Die Einheit muss unkonventionell sein.“ Das betraf nicht nur die Trainingsmethoden, die Bewaffnung und die Spezialeinsatzkleidung, wo viel Erfindergeist gefragt war. Gelernt wurde auch vom Gegner, den Terroristen, zum Beispiel mittels des „Handbuchs für den Stadtguerilleros“. Als erstaunliches Problem erwies sich dann die Rekrutierung, denn die physischen und die charakterlichen Anforderungen waren sehr hoch.
Im Laufe des Jahres 1973 präsentierte sich am Standort St. Augustin-Hangelar eine erste einsatzbereite Gruppe. Deren Bewährungsprobe allerdings erst im sogenannten Deutschen Herbst“ 1977 kommen sollte. Trotz Hinweisen auf die besondere Gefährdung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin schleyer gelang es der RAF, diesen zu entführen, um einsitzende Mitglieder freizupressen.
Und schließlich wurde die Lufthansa-Maschine „Landshut“ entführt, um die Freipressung gegen die strikte Weigerung der Bundesregierung doch noch durchzusetzen. Am 18. Oktober 1977 kam es dann zur sensationellen Weltpremiere der Befreiung eines ganzen voll besetzten Flugzeugs. Alle 86 Passagiere konnten gerettet werden und die „Operation Feuerzauber“ machte die GSG 9 damit über Nacht zum Mythos.
Selbst aus der heutigen Sicht liest sich die Aktion wie ein Thriller, dabei hat Martin Herzog auch dies sachlich, präzise und mit größtmöglicher Objektivität geschildert. In gleicher Weise geht er aber auch das Desaster vom 27. Juni 1993 in Bad Kleinem ein, als der Zugreiff auf zwei RAF-Mitglieder durch Führungsfehler erstmals zu einem toten GSG 9-Mann führte und der Selbstmord des Terroristen Grams lange als solcher in Zweifel gezogen wurde.
Doch der Autor weist ausdrücklich auf einen der Grundsätze der GSG 9 hin: „Wir denken polizeilich.“ Was auch eine Lizenz zum Töten ausschließt. Auch die weitere Geschichte der Einheit wird beleuchtet, die ebenfalls spektakuläre Erfolge wie auch Fehlschläge umfasst. Was jedoch auch in der Natur der fast immer heiklen Einsätze liegt – von denen im Übrigen aus wiederum naheliegenden Gründen manche verdeckt verlaufen oder gar nicht propagiert werden.
Fazit: eine hochspannende Chronik mit viel Zeit- und Lokalkolorit, die das Wirken der GSG 9 sachlich und angemessen würdigt.

# Martin Herzog: GSG 9 – Ein deutscher Mythos; 478 Seiten; Ch. Links Verlag, Berlin; € 25

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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