HEINRICH STEINFEST: „DER BETRUNKENE BERG“


Wie so oft stellt Erfolgsautor Heinrich Steinfest auch bei seinem jüngsten Roman eine starke Frau in den Mittelpunkt. Die zweifach geschiedene 43-Jährige lebt in recht ungewöhnlichen Umständen, denn sie ist Inhaberin des Buchladens „Bücherberg“. Der nicht von ungefähr so heißt, denn er liegt gleich neben der Almhütte in 1765 Metern Höhe eines Berges im österreichischen Salzkammergut.
Katharina Kirchner ist gelernte Bühnenbildnerin, liebt aber die Bücher und ihre Unabhängigkeit. Der Titel des Romans lautet „Der betrunkene Berg“, was später durchaus plausibel erschließt. Zunächst aber steht einer der täglichen Bergspaziergänge an, die die Buchhändlerin auch jetzt im Spätherbst absolviert, wenn für einige Wochen hier oben jeglicher Betrieb ruht.
Diesmal jedochz stößt Katharina im Schnee auf einen halb erfrorenen Mann. Nur mit Mühe kann sie ihn zu ihrer Hütte mit Buchladen und Wohnung bringen. Wobei sich die schon immer Willensstarke gegen seinen Unwillen mit ihrem Credo durchsetzt: „Niemand stirbt auf diesem Berg“. Was der hünenhafte Fremde aber offensichtlich vorhatte.
Gewissermaßen als Strafe dafür, dass sie ihn nicht hat wunschgemäß sterben lassen, soll sie ihn nun bis zur Wiedereröffnung der Almhütte in vier Wochen bei sich beherbergen. Weil der gut 50-Jährige offenbar an Amnesie leidet und sich an nichts aus seinem Leben einschließlich seines Namens erinnern kann, nennt sie ihn Robert. Und bleibt beim Sie, so viel Distanz muss sein.
Das Miteinander ist vor allem von ihren Büchern, von Vorlesen und Zuhören geprägt. Wobei sich Katharina nun endlich an einen alten Bücherschatz herantraut: das weit über 100 Jahre alte Büchlein eines katholischen Priesters mit dem rätselhaften Titel „Selbstporträt eines lächelnden Mannes auf der Spitze des Berges“.
Ihre seltsame Zweisamkeit fern von der Zivilisation wird schließlich komplettiert durch die hinzustoßende Lawinenspezialistin Linda. Und es ist vor allem Robert, der bei der Erinnerungsarbeit in der Bergeinsamkeit Fortschritte macht. Da schälen sich nicht nur Bilder von Schuld und Sühne heraus, er schafft im Freien auch die große Schneeskulptur mit dem titelgebenden Namen.
Und so, wie Katharina Roberts Leben gerettet hat, bekommt er auch noch Gelegenheit, sich zu revanchieren. Doch die durchaus dramatischen Entwicklungen dieses gleichwohl ruhigen und sehr atmosphärischen Romans seien hier nicht verraten. Das alles lebt allerdings ohnehin wie stets bei deisem tief- und hintersinnigen Autor nicht nur von der Geschichte selbst. Einmal mehr glänzt hier die souveräne Prosa, die mit manch funkelnden Sätzen für literarischen Hochgenuss sorgt.

# Heinrich Steinfest: Der betrunkene Berg; 221 Seiten; Piper Verlag, München; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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