GEORG THIEL: NACHTFAHRT
Die Katastrophe fängt damit an, dass man aus dem Bett steigt, sagte schon der
Dramatiker Thomas Bernhard. Und nach diesem vorangestellten Zitat beginnt eine solche auch
für Johannes, seines Zeichens wissenschaftliche Hilfskraft an der Wiener Universität.
Der besserwisserische Trottel kann einmal zu oft seine dummen Bemerkungen nicht bei sich
behalten. Prompt erhält er eine Frühstückskaffeedusche von Freundin Marie. Was erstens
der Auftakt zu seinem peinlichen Rauswurf vor Publikum wird und zweitens der Beginn von
Georg Thiels jüngstem Roman Nachtfahrt ist.
Darin lässt der Erfolgsautor einmal mehr nicht nur seine brillante Sprachmeisterschaft
sondern auch viel vom legendären österreichischen schwarzen Humor aufscheinen. In
schwindelerregendem Tempo setzt sich nun die Katastrophe für Johannes fort und
verschlimmert sich alsbald mit dem unerwünschten Auftauchen von Freund Lukas in seiner
Wohnung.
Während der den übermüdeten Jo brachial davon zu überzeugen versucht, mit ihm zusammen
als neues und äußerst vielversprechendes Geschäftsmodell einen Tierfriedhof zu
eröffnen, komplettiert sich das Quartett der seit Schultagen irgendwie unzertrennliche
befreundeten Apostel-Epigonen noch um den studierunlustigen Medizinstudenten Markus und
den Ex-Studenten Matthäus.
Lukas trimmt die Freunde zu Kompagnons für das neue Projekt, die Diskussionen
untereinander über Sex-Stellungen und andere überlebenswichtige Themen verlaufen
mindestens so kontrovers absurd wie die Entwicklung hin zu einem Fixpunkt der unangenehmen
Art: wie beseitigt man am dezentesten die Leiche von Max.
Nein, der einfache Hilfsarbeiter ist kein Mordopfer, nur dummerweise verunfallte er als
illegale Hilfskraft im jüngsten windigen Immobilienprojekt vom mäßig seriösen Lukas.
Unaufhaltsam schreitet dies tragikomische schrille Theater voran und mündet schließlich
in einem absolut schrägen Roadtrip, der mit Spanferkel und zu Fuß in einer abgelegenen
Waldhütte dem grenzenlosen No9nsens huldigt.
Das Ende sei hier nicht verraten, auf jeden Fall ist dieser hinreißend hirnrissige Roman
nicht nur sehr deftig bei gleichzeitig geschliffener Sprachkunst. Diese Apostelgeschichte
der anarchischen art hätte gewiss auch Monty Python hellauf begeistert und absolut
filmreif ist sie sowiewso.
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