STEPHEN WALKER: INS ALL
Sowjets schicken Mann ins All, Sprecher sagt, USA schlafen. diese gallige
Schlagzeile zierte amerikanische Zeitungen am 13. April 1961. Am Vortag war der
Sowjetrusse Juri Alexejewitsch Gagarin (1934-1968) als erster Mensch in den Weltraum
geflogen.
Zum zweiten Mal nach dem Sputnik-Flug vom Oktober 1957 hatte die Sowjetunion die Weltmacht
USA auf dem spektakulären Feld der Eroberung des Weltalls düpiert. Was um so bitterer
war, als mit Alan Shepard (1923-1998) bereits der Astronaut auf seinen Start wartete, der
nach sicherer Annahme die Nummer 1 hätte sein sollen.
Wären da nicht die vielen Verzögerungen und Pannen gewesen, die den Start mit der
Redstone-Rakete immer wieder gebremst hatten. Ein verbissener Wettstreit zwischen zwei
Weltmächten, die sich im Kalten Krieg gegenüberstanden Stephen Walker hat ihn in
seinem erzählenden Sachbuch Ins All auf ebenso fundierte wie mitreißende
Weise beleuchtet.
Wobei der deutsche Untertitel Die faszinierende Geschichte vom ersten Flug in den
Weltraum nicht sehr treffend ist, denn hier geht es um viel mehr. Das gesamte Ringen
wird hier beschrieben, der Wettlauf der Systeme und insbesondere auch der zentralen
Konstrukteure Wernher von Braum (1912-1977) und Sergej Koroljow (!907-1966). Und
mittendrin die Heldengeschichte des nur 1,57 Meter großen Kosmonauten Juri Gagarin.
Der entscheidende Vorsprung all dieser Schilderungen von den politischen Hintergründen
über die komplexen Arbeiten am Raumfahrtprogramm bis hin zu Gagarins Flug selbst
gegenüber zahlreichen bereits erschienenen Büchern und Filmen ist die zweite
Perspektive.
Bis in die Details kennt man den Weg der Astronauten vom ersten kurzen Hüpfer ins All bis
hin zu den bemannten Mondlandungen. Von der anderen Seite des Eisernen Vorhangs aber ist
kaum mehr bekannt als das, was die Sowjetführung und deren Geheimniskrämerei zugelassen
hatte. Deren riesiger Raketenunfall vom Herbst 1960 mit 74 Toten oder so mancher andere
Fehlschlag unterlagen strengster Geheimhaltung und unfehlbare Späher wie die erst
kommenden Beobachtungssatelliten spielten noch keine Rolle.
Walker hat gerade in erst viel später zugänglichen Archiven intensiv recherchiert und
eine Fülle bislang unveröffentlichter Fakten auswerten können. Hier nun wird diese
parallele Sicht zu einer fesselnden Dramaturgie, denn erzähtl wiurd das Rennen und
insbesondere der Raumflug Gagarins am 12. April 1961 abwechselnd zu den Entwicklungen auf
amerikanischer Seite.
Es liegt auf der Hand, dass der Flug mit der primitiven Raumkapsel Wostok 1
bis hin zu lebensgefährlichen Pannen und der holprigen Landung zum spannendsten Teil des
ohnehin fast romanhaft geschriebenen Buches wird. Alles jedoch fußt auf den historischen
Fakten einschließlich der trotzigen Replik des neuen US-Präsidenten John F. Kennedy in
seiner legendären Rede vom 25. Mai 1961, in der er verspricht, noch im selben Jahrzehnt
werde eine US-Crew auf dem Mond landen.
Fazit: das Wettrennen ins All endlich aus beiden Perspektiven, fundiert erzählt als
ebenso verständliche wie spannende Wissenslektüre.
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