GISA KLÖNNE: „FÜR DIESEN SOMMER“


Jahrelang ist Franziska Roth fort gewesen, hat ihr Elternhaus und insbesondere den strengen Vater mit seinen ständigen Missbilligungen gemieden. Nun aber soll sie sich für drei Wochen um den Witwer kümmern, weil ihre Schwester Monika wegen Burn-outs in eine Klinik muss.
Wie sie so unschlüssig vor der Haustür steht und zögert, wirklich zu klingeln, damit setzt der Roman „Für diesen Sommer“ ein. Und es sei vorweg gesagt: das Sommeridylle verheißende Cover wie auch der Titel sind die einzigen Fehler dieses Buches, denn Erfolgsautorin Gisa Klönne hat hier eine Familiengeschichte verfasst, die kein bisschen leichtgewichtige Ferienlektüre offeriert.
Franziska galt schon früh als das schwarze Familie der Familie, als sie sich nach behüteter Kindheit nicht so ganz handzahm entwickelte, sondern sich früh zur Friedens- und Umweltbewegung umorientierte und im Konflikt von Zuhause fortlief. Um so schwerer fällt ihr diese Rückkehr, denn ihr Vater hatte ja irgendwie mit seinen Prognosen des Scheiterns nicht schief gelegen.
Jetzt mit Mitte 50 sind ihre Träume eines anderen, eher alternativen Lebens gescheitert. Doch auch der strenge konservative Patriarch, der nach seinen eigenen schlimmen Kriegsjahren vor allem wollte, dass es seinen Kindern mal besser geht, ist auch nur noch ein Schatten seiner selbst. Mit 84 hinfällig, körperlich dahinschwindend und zugleich störrisch, verwahrte er sich so harsch gegen die notwendigen Umbauten im Haus, dass das für die treusorgende Tochter Monika bis zum Nervenzusammenbruch führte.
Nachdem Ehefrau Johanne verstarb, wurde er noch sonderlicher und verbringt täglich viele Stunden damit, die Lithografie eines Ameisenbären abzuzeichnen. Und nun prallen also der knorrige Alte und und die einst so stolz für Aufbruch in Freiheit und Gleichberechtigung aktive Franziska wieder aufeinander. Derartig viel Nähe muss ja die alten Konflikte aufs Neue schüren, nur ist Weglaufen diesmal keine Option.
Das Geschehen führt in wechselnden Perspektiven aber auch in die Vergangenheit zurück. Wo Heinrich Kriegstraumata nicht verwinden kann und sich Franziska manche Enttäuschung zu viel eingestehen muss. Obendrein entdeckt sie beim Entrümpeln auch noch ein großes Familiengeheimnis, das das Fremdsein bei dieser unfreiwilligen Heimkehr in die eigene Vergangenheit noch belastender macht.
Mag die Grundanlage dieses Romans auch wenig spektakulär erscheinen, hat Gisa Klönne mit ihrer bekannten ebenso sensiblen wie klaren Sprachgewalt daraus eine Geschichte entwickelt, die schon bald eine hohe Sogwirkung entfaltet und tief unter die Haut geht. Mit ihrer Präzision wird das zuweilen geradezu quälend und ist zugleich in höchstem Maße authentisch und lebensnah.
Fazit: keine leichte Lektüre aber ein ganz großer Wurf als zeitnaher Familienroman.

# Gisa Klönne: Für diesen Sommer; 445 Seiten; Kindler Verlag, Hamburg;

€ 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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