ALISON McGHEE: „NACHRICHTEN VON MICAH“


Sesame hatte so etwas befürchtet, ihr Freund Micah aber konnte es sich nicht wirklich vorstellen. Doch nun ist das Unfassbare eingetroffen: in der Nacht werden er und seine Eltern auf Befehl des Propheten abgeholt, mit kleinem Gepäck und unter Zurücklassen ihrer Handys.
Damit beginnt „Nachrichten von Micah“ , der jüngste Jugendthriller von Erfolgsautorin Alison McGhee. Zunächst berichtet der 17-Jährige von der Abholung auf Geheiß des Anführers der obskuren Sekte „Das lebenden Licht“. Seit einiger Zeit gehörten seinen willfährigen Eltern der Gruppierung an, haben ihn aber über vieles im Unklaren gelassen.
„Wir haben den Ruf erhalten“ verkündet Akoluth Deeson, kalter Handlanger des Propheten, und das bedeutet Phase II, der Abschied von allem Säkularen. Wozu alle Mitglieder mit verbundenen Augen zum sogenannten Südkomplex irgendwo in oder bei Minneapolis gebracht werden. In seiner Not ist es Micah nur noch mühsam gelungen, seiner geliebten Sesame eine kurze Zettelnachricht zu hinterlassen.
Nun schildert die 18-jährige, allein im Haus der verstorbenen Großmutter lebende Waise, aus ihrer Sicht, wie sie Micahs Wegbleiben trotz Verabredung als Signal für eine Gefahr einordnet. Und der Zettel, den sie zusammen mit ihren Freunden Sebastian und Inky in Micahs Haus findet, bestätigt ihre schlimmsten Befürchtungen.
Natürlich macht sie sich sofort an die Suche bis hin zur Vermisstenanzeige bei der Polizei. Nichts lässt sie unversucht, doch es gibt nicht den geringsten Hinweis. In den abwechselnden Kapiteln der beiden Ich-Erzähler steigert sich bei Sesame die rastlose Hilflosigkeit, zumal nach der Polizei auch die Freunde allmählich Zweifel anmelden. Bei Micah dagegen stehen Aufbegehren und hilflose Verzweiflung im Widerstreit.
Von Beginn an haben ihn der Prophet und Handlanger Deeson auf den Kieker, weil er nicht unterwürfig sein will. Immer neue Strafen denken sie sich aus und Micah vegetiert im ungeheizten Keller als Wäscher – viel schmutzige weiße Wäsche von Hand und mit kaltem Wasser bei Hungerdiät und ständigen Drohungen.
Es wird geradezu gruselig und es geht Tag für Tag immer weiter. Die Dramaturgie sorgt für große Spannung und das Geschehen geht unter die Haut. Ob es trotzdem noch Hoffnung gibt, sei hier nicht verraten. „Nachrichten von Micah“ bietet jedenfalls höchst fesselnden Lesestoff nicht nur für junge Leser ab 14.


# Alison McGhee: Nachrichten von Micah (aus dem Amerikansichen von Birgitt Kollmann); 246 Seiten, Klappenbroschur); dtv Verlag, München; € 15

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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