JAKOB AUGSTEIN: „STRÖMUNG“

 
„Mein name ist Franz Xaver Misslinger, und bei mir hört das Scheitern mit dem Namen auf.“ Mit dieser Standardfloskel führt sich der jetzt 42-jährige Politiker bei fast jedem öffentlichen Auftritt ein.
Dieser ehrgeizige Karrierist einer liberalen Partei steht im Mittelpunkt des ersten Romans von Jakob Augstein unter dem Titel „Strömung“. Der Miteigentümer des Spiegelö-Verlages, Verleger und Chefredakteur der linken Wochenzeitung „der Freitag“ zählt zu den geschliffensten Schreibern der Medienzunft, nun also erstmals Fiktion aus seiner Feder.
Schon als Teenager hat dieser Misslinger die erste Sprosse der Erfolgsleiter im Politikbetrieb erklommen, nun aber soll es nicht nur der Posten des Generalsekretärs sein, der er in diesem Jahr 2016 anstrebt. Man lernt den Ehrgeizling kennen – jedoch ganz sicher nicht lieben – wie er mit einem dünnen Schatz an Idealen vor allem das Publikum zu gewinnen gelernt hat.
Er ist ein durchaus typischer Vertreter seiner Zunft in einer Partei, die der realen FDP bis zur Kenntlichkeit ähnelt. Überzeugungen bleiben Floskeln, er hat ein schwieriges Verhältnis zu seiner 16-jährigen blitzgescheiten Tochter Luise – mit Ansätzen einer gewissen Greta – während die Ehe mit Selma mächtig kriselt. Zumal er die nicht nur fast durchweg nützlich erscheinenden Aktivitäten unterordnet, er nimmt es auch mit der Treue nicht so genau.
Doch der Machtmensch Misslinger, der aus Karrieregeilheit notfalls regelrecht Männchen macht vor dem mächtigen Bundesvorsitzenden Walter, den er ja zu beerben gedenkt, braucht auch immer mehr die Pillen, die Unsicherheit und Angst vertreiben. Und dann geht er mit Luise auf USA-Reise, wo er seine große Bewerbungsrede unter dem Überbegriff Freiheit schreiben will. Auch hier erweist sich Misslinger als ein Phrasendrescher sogar vor sich selbst, dessen flache Banalität unüberhörbar bleibt.
Diese Geschichte vom Werden und Vergehen eines hohlen liberalen Karrierepolitikers entlarvt zwar so manches, allerdings fehlt ihr neben viel Tiefgang der Protagonisten vor allem jede Spur der sich eigentlich geradezu aufdrängenden bissigen Satire.
Fazit: ein unterhaltsamer Roman, von einem solch brillanten politischen Kopf wie Jakob Augstein hätte man jedoch ein weitaus konturenschärferes literarisches Feuerwerk erwartet.

# Jakob Augstein: Strömung; 301 Seiten; Aufbau Verlag, Berlin; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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