JOHN GRISHAM: „DER VERDÄCHTIGE“


Auch nach 36 Büchern schafft es Bestsellerautor John Grisham immer noch zu überraschen. Berühmt für seine atemberaubenden Darstellungen von Strafprozessen, kommt er in einem neuen Roman ganz ohne einen solchen aus.
Der eigentliche Clou aber ist noch überraschender, denn in „Der Verdächtige“ geht es erstmals um einen Serienmörder. Und nachdem bei dem Kenner der US-Rechtsprechung schon häufiger schlechte Richter üble Rollen gespielt haben, ist ein solcher hier sogar der monströse Killer höchstselbst.
Womit nicht zu viel verraten wird, denn dass dem so ist, eröffnet sich schon sehr bald. Erneut stellt Grisham die Juristin Lacy Stoltz in den Mittelpunkt, seit zwölf Jahren Ermittlerin beim Board of Judicial Conduct. Dieses BJC untersucht Verfehlungen von Richtern und anderen hochrangigen Vertretern der Justiz.
Noch nie jedoch hatte die jetzt 39-Jährige mit einem Mordverdacht zu tun. Entsprechend sträubt sie sich zunächst, als eine offensichtlich sehr verängstigte Frau unter großer Geheimhaltung und mit falschem Namen sie intensiv mit einem ungewöhnlichen Verbrechensverdacht bedrängt.
Diese Jeri, selbst Universitätsprofessorin, verlor vor über 20 Jahren ihren Vater, einen angesehenen, bereits pensionierten Jura-Dozenten durch einen ungeheuer brutalen Mord. Der Täte blieb unerkannt und die Polizei hat die Ermittlungen längst eingestellt. Jeri aber ließ nie locker und tatsächlich trug sie schließlich genügend Indizien zusammen für einen konkreten und wahrhaft haarsträubenden Verdacht.
Dieser Mörder hat offenbar über die Jahre noch weitere Menschen umgebracht, allesamt nach derselben Methode wie bei ihrem Vater. Und jedes Mal ohne auch nur in Verdacht zu geraten: „Ein perfekter Mord. Alle seine Morde sind perfekt.“ Und der Verdächtige ist nicht nur clever, eiskalt und sehr methodisch – in seinem Beruf als Bezirksrichter in Florida kennt er obendrein alle Regularien und Schliche des Strafrechts bestens.
Ross Bannick, 49, höchst angesehen und ein Mörder und das sogar serienmäßig?! Lacy Stoltz sträubt sich zunächst, zumal sie in ihrem Metier ohnehin nicht für Mordermittlungen zuständig ist. Doch spätestens als dieser abgefeimte Richter auch selbst als eine der Erzählperspektiven ins Spiel kommt, entwickelt sich eine fesselnde Dynamik.
Man schaut dem Killer bei seinem Tun über die Schulter und erfährt von seinen Qualitätsmaßstäben: „Wenn schon töten, dann richtig.“ Und bei aller Rachsucht geht er beklemmend methodisch vor, versteht abzuwarten. Und doch hat es da den einen kleinen Fehler gegeben, der die hartnäckige Jeri auf seine Spur geführt hat. Aber – auch sie hat einen Fehler gemacht, durch den sie ihrerseits in sein Visier gerät.
Mehr aber sei von diesem wie stets meisterhaft komponierten Roman nicht verraten. Eine Säule der Rechtsprechung als rachsüchtiger Serienmörder und zwei intelligente Damen auf der Jagd nach ihm: für jegliche Krimi-Fans ein Leckerbissen.

# John Grisham: Der Verdächtige (aus dem Amerikanischen von Bea Reiter, Imke Wals-Araya, Kristina Dorn-Ruhl); 413 Seiten; Heyne Verlag, München; € 24

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

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