CLINT SMITH: WAS WIR UNS
ERZÄHLEN
Die Sklaverei in den Vereinigten Staaten begann quasi mit deren Entstehung im frühen 17.
Jahrhundert. Sie wurde institutionalisiert, einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige und
über lange Zeit ein selbstverständliches Statussymbol in der Gesellschaft. Mit
allgegenwärtigen Auswirkungen bis heute.
In einer aufsehenerregenden Chronik denkt Clint Smith das Phänomen der unheiligen
Dreieinigkeit von Rassismus, Sklaverei und White Supremacy als roten Faden
auf, der bis in die Gegenwart die politische und gesellschaftliche Entwicklung der USA
prägt. Für den erfolgreichen Autor, Dichter und Dozenten ist es auch ein Erforschen in
der eigenen Geschichte gewesen, denn auch seine Vorfahren waren selbst Negersklaven.
Dieses und andere rassistische, diskriminierende und herabwürdigende Begriffe verwendet
er bewusst, weil sie historische sind, und sie wurden entsprechend für die deutsche
Fassung unter dem Titel Was wir uns erzählen so übersetzt. Der Untertitel
deutet im Übrigen an, dass dies nur bedingt ein Sachbuch ist: Das Erbe der
Sklaverei Eine Reise durch die amerikanische Geschichte.
Tatsächlich reiste der afroamerikanische Autor zwischen Oktober 2017 und Februar 2020 zu
acht Orten, die für das Sklavensystem beispielhafte Bedeutng haben. Hinzu kam ein
beklemmender Abstecher zur Gore Island, Senegal, von wo die eingefangenen Sklaven
eingepfercht und malträtiert aus dem House of Slaves auf die Schiffe
der Sklavenhändler verbracht wurden.
Nicht von ungefähr ist die Monticello Plantation sein erster Anlaufpunkt, jenes
US-Heiligtum von Wohnstätte, die einst der dritte US-Präsident Jefferson (1801-1809)
unterhielt. Unter anderem Mitverfasser der Unabhängigkeitserklärung wird er noch heute
hoch verehrt. Doch nur wenig erfährt man in den Lehrplänen oder auch von den
Touristenführern vor Ort von den moralischen Schattenseiten Jeffersons.
Wie selbstverständlich war auch er ein Sklavenhalter, hielt sich eine sehr junge
Sexsklavin und auch bei ihm waren Grausamkeiten wie Familientrennungen durch Verkäufe ein
Geschäftsprinzip für wirtschaftliches Wohlergehen. Noch überraschender aber sind Smiths
Forschungsergebnisse aus New York, war doch der Norden der USA im Bürgerkrieg der Teil
des jungen Landes, der 1861 gegen die Sklavenhaltung in den Bürgerkrieg zog.
Doch gerade New York war im 17. und 18. Jahrhundert die städtische Region mit den meisten
schwarzen Sklaven und auch hier waren grausame Bestrafungen, massiver Missbrauch und der
Handel an der Tagesordnung. Dazu belegt der Autor, dass die Sklaverei vor dem Bürgerkrieg
rund vier Millionen Versklavte betraf, die eine Wert von rund 3,5 Milliarden
Dollar darstellten mehr als alle Fabriken und Eisenbahnen zusammen.
Smith berichtet mit persönlicher Betroffenheit einschließlich dessen, was er über das
Sklavenschicksal der eigenen Vorfahren weiß. Doch gerade diese emotionale
Herangehensweise verbunden mit der gebotenen Seriosität und Authentizität machte dieser
immer wieder tief bewegende und oft kaum zu fassende Chronik zu einem so wichtigen Buch.
Wenn man dann an krasse rassistische Vorfälle der letzten Jahre denkt und dass die
Gründe für die Existenz von Black Lives matter noch immer ihre
menschenverachtenden Spuren durch das gesamte Land ziehen, muss man sich geradezu wundern,
dass dieses entlarvende Buch ein solch großer Verkaufserfolg in den USA wurde.
|