ANTHONY A. BARRETT: „ROM BRENNT!“

 
Beim Stichwort Nero haben die meisten Menschen unwillkürlich ein Bild vor Augen: das des grandiosen Peter Ustinov als total verrückter Kaiser, der Rom hat anzünden lassen und nun beim Anblick der lichterloh brennenden Millionenstadt dazu auf der Lyra spielt.
Was von dieser Vorstellung ist überhaupt haltbar und was passierte in jenen neun Tagen vom 19. bis zum 28. Juli 64 n.Chr. wirklich? Dem hat sich der britische Althistoriker Anthony A. Barrett mit einer Gesamtübersicht samt kritischer Analyse auif neustem Forschungsstand gewidmet.
„Rom brennt! Naro und das Ende einer Epoche“ lautet der Titel und der Regentschaft des vermeintlich irren und unfähigen Tyrannen stellt der Experte ein erstaunlich anderes Bild entgegen. Dieser Nero Claudius Augustus Germanicus war zur Zeit der Katastrophe erst 26 Jahre alt, aber – sein Ruf als Herrscher war hervorragend, als Person war er beliebt und er galt als sogenannter Volkskaiser.
Barrett geht jedoch zunächst auf den Brand selbst ein, der offenbar in den Marktständen am Circus Maximus ausbrach und sich vor allem durch heftige und immer wieder wechselnde tagelange starke Winde ausbreitete. Schnell stieg die Feuersbrunst bis zum Palatin hinauf und damit zum Viertel der oberen Zehntausend Roms. Schließlich wurden ganze Stadtbezirke im Zentrum zerstört, tausende von Menschen kamen um und auch wirtschaftlich wirkte sich „der Große Brand“ verheerend aus.
Der einer dieser historischen Wendepunkte war, wie Barrett es nennt. Eine einschneidende Zäsur mit unauslöschlicher historischer Bedeutung, vergleichbar mit Daten wie dem Fall Konstantinopels 1453 oder Luthers Thesenanschlag von 1517 mit epochenändernder Wirkung. Und Nero wurde in der Geschichtsschreibung offenbar ein Opfer von Verschwörungstheorien und wilden Gerüchten über sein angebliches „unerhörtes Verhalten“ vor, während und nach dem Brand.
Dabei war der Herrscher nicht einmal in Rom, als die Feuersbrunst einsetzte, und die ihm unterstellten Fiedeln, die er gespielt haben soll, waren noch gar in Gebrauch. Die Theorien aber blühten in all der Panik und dem Elend. Wobei es – vor allem eingedenk der Filmversion! - erst vier Jahre später zum Aufstand gegen Nero und zu dessen Suizid kam und dieser bis dahin sogar wegweisende Wiederaufbauarbeiten in die Wege geleitet hatte.
Aber auch Neros angebliche Schuldzuweisung an die Christen mit dem daraus resultierenden barbarischen Massaker an ihnen stellt der Historiker gründlich in Frage. Im Jahr 64 waren die erst eine noch unbedeutende Sekte und bis auf einige Sätze des Tacitus wurde weder von anderen Geschichtsschreibern noch von den Christen selbst von einer Welle der Verfolgung berichtet.
Die Quellenlage war allerdings auch für den Autor problematisch, wie er eingehen erläutert. Einerseits gibt es zahlreiche schriftliche Zeugnisse, diese Überlieferungen stammen jedoch fast ausnahmslos nicht von Zeitgenossen Neros. Andererseits wurde Nero massiv ins Negative verzerrt, so dass Dichtung und Wahrheit nur schwer zu verifizieren sind.
Anthony A. Barrett stellt Nero, der bereits mit 16 Jahren zum Kaiser gekrönt wurde und sich nachweislich zehn Jahre lang als erfolgreicher und populärer Herrscher erwies, in ein Licht, das den historischen Tatsachen mit großer Wahrscheinlichkeit sehr nahe kommt. Fazit: dieses Werk darf wohl als die ultimative Darstellung einer des großen Wendepunkte in der Antike angesehen werden.

# Anthony A. Barrett: Rom brennt! Nero und das Ende einer Epoche (aus dem Englischen von Jörg Fündling); 399 Seiten, div. SW-Abb.; wbg THEISS Verlag, Darmstadt; € 29

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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