HORST ECKERT: „DAS JAHR DER GIER“

 
1999 begann in München der Finanzdienstleister Wirecard seinen Aufstieg und wurde in den folgenden 20 Jahren zum Vorzeigekonzern der deutschen Wirtschaft. Wertvoller als die Deutsche Bank mit Milliarden, die um die ganze Welt flossen.
Bis der Konzern im Sommer 2020 sehr plötzlich Insolvenz anmelden musste und wie ein Kartenhaus zusammenfiel, weil entdeckt wurde, dass 1,9 Milliarden Euro einfach „fehlten“. Der Vorstandsvorsitzende wartet im Knast auf seinen Prozess, während es dem COO gelang, mit ganz viel Geld spurlos unterzutauchen. Ein Skandal, der Finanzwelt und Politik erschütterte.
Und Horst Eckert als Meister aktueller Politthriller auf den Plan rief. Mit exzellenter Recherche und ziemlich nah am realen Geschehen machte er daraus einen weiteren grandiosen Hochspannungsroman, diesmal unter dem Titel „Das Jahr der Gier“. Zum dritten Mal schickt er dafür sein Ermittlerduo der Sonderklasse auf die Spur: die junge Kriminalrätin Melia Adan, Leiterin der Mordabteilung der Düsseldorfer Kripo, und ihren besten Mann, Kriminalhauptkommissar Vincent Veih.
Zum Auftakt gibt es den Messerangriff auf Oscar Ravani in der Altstadt. Scheinbar rassistisch motiviert, doch Melia kennt den englischen Journalisten über ihren äthiopischen Onkel und hat schnell Zweifel. Vincent dagegen hat es mit einem scheinbar gewöhnlichen Mord an einer jungen Frau zu tun. Zugleich kommt der milliardenschwere Finanzdienstleister „Worldcard“ ins Spiel, bei dessen Asien-Tochter Mitarbeiter dubiose Geldverschiebungen als Luftnummern entdecken.
Als Meldungen zu der unbekannten Toten im Radio zu hören sind, verschwindet Oscar Ravani umgehend aus dem Krankenhaus und heim nach London. In einem schwierigen Puzzle entfaltet sich eine Verbindung zwischen dem Journalisten, der für die „Financial Times“ über Machenschaften bei Worldcard recherchierte, und die die Tote, denn diese Naomi wollte ihm offenbar Informationen zukommen lassen. Aus ihrer Tätigkeit bei einer der größten Wirtschaftsprüferfirmen hätte sie von heiklen Interna von Worldcard berichten wollen.
Derweil rekrutiert der ehemalige Landespolizeipräsident von Bayern Böhm den früheren Zielfahnder Pagel, der nach dem Tod eines Kronzeugen geschasst worden war, als Sicherheitschef für Marek Weiß, den allmächtigen COO von Worldcard in München. Bei diesem auch von der großen Politik umschwärmten „Großmeister des Magic Accounting“ stößt Pagel nicht nur auf sehr illustre Akteure – vielfach mit kaum zu verwechselndem Wiedererkennungswert aus der Realität.
Und allmählich lernt er, dass dieser Konzern auch geeignete Leute für Schmutzarbeit einsetzt: „die Bedrohungslage hieß Spionage. Die Gegner waren ganze Staaten. Darunter sogar der eigene.“ Kein Wunder, dass Melia schließlich aus dem Kanzleramt sogar eine unmissverständliche Mahnung zugeht, die Finger von Worldcard zu lassen.
Doch sie und Vincent und ihr Team stoßen auf ein Geflecht von Durchstechereien, tödlichen Einschüchterungsversuchen und wie vielfältig hier alles ineinandergreift. Da werden Mitwisser lapidar beseitigt und der oberste Geheimdienstchef hat tiefdunkle Flecken auf seiner weißen Weste.
Das Alles treibt wie eine atemberaubende Spirale auf ein knalliges Finale zu und fesselt intelligent wie realistisch mit den Fakten und mindestens ebenso mit den Charakterzeichnungen, die bis in die Nebenrollen exzellent ausgearbeitet sind. Fazit: besser kann ein Politthriller gar nicht geschrieben werden, dazu noch derartig aktuell. Und – dieser Roman schreit geradezu nach einer Verfilmung.

# Horst Eckert: Das Jahr der Gier; 428 Seiten, Klappenbroschur; Heyne Verlag, München; € 13

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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