DAVE GOULSON: „STUMME ERDE“


Der britische Biologe Dave Goulson sieht es als seine Mission an, den Menschen bewusst zu machen, wie absolut notwendig Insekten für ihr eigenes Überleben sind. Dazu tritt er als einer der bekanntesten Naturschützer Europas als Mahner und Warner auf.
Wie jetzt mit seinem neuen Sachbuch „Stumme Erde. Warum wir die Insekten retten müssen“, in dem Goulson, seines Zeichens Professor an der University of Sussex, eindringlich verdeutlicht, dass der Verlust an Biodiversität ein ebenso drängendes Menschheitsproblem ist wie die Erderwärmung. Eingangs beschreibt er seinen Weg vom sechsjährigen Insektenbegeisterten insbesondere zum großen Hummel-Fan, der er bereits mit seinem Buch „Und sie fliegt doch“ eine eindrückliche Hommage widmete.
Goulson versteht es, das komplexe wissenschaftliche Thema faktenreich aber auch sehr anschaulich und unterhaltsam darzulegen. Da gewinnt er den Leser zunächst mit spannenden Fakten über die ungeheuer vielfältigen Insektenarten. Denen er von der Evolution her drei große Kunststücke zuschreibt: die Entwicklung der Flugfähigkeit, die Magie der Metamorphose und die Fähigkeit zum Teamwork in komplexen Staatengebilden.
Doch unweigerlich folgen die Problemfelder des Insektensterbens. Ein besonders griffiges Beispiel ist dabei die sogenannte Krefeld-Studie, für die in einer exemplarischen Sammlung in Deutschland im Zeitraum von 1986 bis 2016 ein Absinken der Biomasse der Insekten von erschreckenden 75 Prozent festgestellt wurde.
In Teil III des Buches geht der Naturwissenschaftler auf die Ursachen des Schwindens ein und es sind durchweg klar zu benennende Gründe vom Verlust der Lebensräume, vergiftetem Ackerland und der Unkrautbekämpfung. Ein herausragendes Beispiel ist das berüchtigtste aller Herbizide Glyphosat (Handelsmarke „Roundup“), das bei einem Einsatz von derzeit weltweit 825.000 Tonnen pro Jahr steht.
Als gravierende Auswirkung auf die Insekten benennt Goulson da die effektive Ausrottung jeglichen Unkrauts einschließlich Wildblumen, Disteln und dergleichen. Die Kettenreaktion liege auf der Hand: wo dann die Insekten fehlen, fehlen sie auch den insektenfressenden Tieren. Was nicht nur zur fortschreitenden Verringerung der Biodiversität führt, denn auch solch unverzichtbaren Bestäuber wie Bienen und Hummeln verschwinden mangels Nahrungsgrundlage.
Nach beängstigenden Projektionen einer Welt ohne Insekten und weiteren Ausführungen von Problemfeldern, stellt Goulson schließlich die Frage „Was können wir tun?“ Und hier äußert er sich verhalten optimistisch, denn da sei bei entsprechendem Wandel von Bewusstsein und Verhalten – zum Beispiel im gewichtigen Bereich Ernährung – ein Umsteuern noch möglich.
Der engagierte Naturschützer versteht es, zu fesseln und zu begeistern. Dazu dienen neben seiner persönlichen Art des Erzählens immer wieder auch je Kapitelbeginn Kurzporträts von weniger bekannten Insekten mit teils spektakulären Fähigkeiten. Fazit: ein ganz wichtiges Buch zu einem der gravierendsten Problemfelder der Gegenwart und für die Zukunft der Menschheit.

# Dave Goulson: Stumme Erde. Warum wir die Insekten retten müssen (aus dem Englischen von Sabine Hübner), 367 Seiten, ill; Hanser Verlag, München; € 25


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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