NEAL & JARROD SHUSTERMAN: „ROXY“


Nach dem hochaktuellen Wassermangel-Thriller „Dry“ widmen sich US-Erfolgsautor Neal Shusterman und sein Sohn Jarrod in ihrem neuen Jugendthriller einer in Amerika grassierenden Epidemie, die allerdings insgeheim auf bei uns wütete: die Opioidkrise, der Missbrauch verschreibungspflichtiger Medikamente.
„Roxy“ lautet der Titel und das ist hier der Name einer verlockend schönen Verführerin mit dem pharmakologischen Namen Oxycodon. Ein gar nicht so neues Schmerzmittel, doppelt so stark wie Morphium, doch Roxy schmeichelt jedem potentiellen Konsumenten: „Ich kann noch viel unterhaltsamere Dinge bewirken und solche, die Macht verleihen.“
Ihr Konkurrent in einem heimtückischen Wettbewerb um neuen Opfer sieht ebenfalls attraktiv aus und nennt sich Addison, mit Echtnamen Adderall. Er ist „der Prinzt der Aufmerksamkeit“ mit einem Wirkungsgrad, der das vor allem Kindern und Jugendlichen mit ADHS verabreichte Ritalin bei weitem übertrifft.
Noch vor dem Einstieg sollte man sich die Innenseite der Klappenbroschur anschauen, denn sie bleibt bis zum Foinale von hohem Informationswert. Sie gibt einen Überblick über die Familie der Drogen, zu denen neben den Schmerzmitteln und Aufputschdrogen auch der Stamm der Halluzinogene gehört.
Und dann geht es mit einem dunklen Paukenschlag los: Notfalleinsatz bei einem Teenager, der abzunippeln droht. Schon hier kommt ein genialer literarischer Trick zum Tragen: die Personifizierung der Drogen. In diesem Fall Nalo, der Cousin mit dem Wirkstoff Naloxon, einem starken Gegenmittel zu Opioiden. Schon hier fasziniert das Medikament als Ich-Erzähler wie anschließend die anderen Drogen. Bei diesem Probanden namens Isaac Ramey aber kommt Nalos Einsatz zu spät.
Und es folgt der Sprung zwei Monate zurück zum strebsamen Highschool-Schüler, der einmal Raumfahrttechnik studieren will. Für das notwendige Stipendium hofft er auf seine hervorragenden Leistungen als Kapitän des Football-Teams. Doch er hat eine eine Jahr ältere Schwester und Ivy ist dank ADHS ein Sorgenkind der Familie, nicht zu bändigen und auf dem besten Weg die Schule zu schmeißen.
Durch ihren Hang zu den falschen Partnern kommt es dann zu einer Situation mit fatalen Folgen, als Isaac sie aus den Fängen des Drogenfreaks Craig befreien will. Das gelingt zwar, doch Isaac fangt sich dabei eine schwere Knöchelverletzung ein, die seinen so wichtigen Sporteinsatz verhindert.
Womit Roxy ihren Einstieg findet, denn Isaac muss um jeden Preis die heftigen Schmerzen loswerden und wieder fit werden. Ausgerechnet über seine Großmutter geschieht es: die gebrechliche alte Dame hatte einen Hüftbruch und der Arzt verschrieb ihr Oxycodon. Nun betört Roxy den Nichtsahnenden auf hinterhältige Weise und er mopst Oma Pillen, immer öfter, immer mehr.
Sie wie auch Rivale Addison entwickeln ein sehr spezielles fatales und absolut eigennütziges Helfersyndrom. Just in diesen Tagen nämlich wird Ivy klar, dass sie ins Abseits zu truelnd droht und nur der Arzt kann sie noch retten. Tatsächlich verschreibt er ihr Adderall – nicht weniger als ein kraftvolles Amphetamin-Medikament – und in persona verspricht Addison: „Ich werde die unbeirrbare positive Stimme in ihrem Leben sein.
Das Konzentrationswunder tritt ein und Ivys Leben bekommt samt den typischen Nebenwirkungen einen massiven Drall. Noch unentrinnbarer aber rutscht Isaac in die umgehend nicht mehr beherrschbare Abhängigkeit von der schönen Roxy, die ihn genussvoll für die große finale Party zubereitet. Atemberaubend dreht sich die Spirale und fesselt bis zum tragischen Ende, obwohl dieses bereits im ersten Kapitel feststand.
Fazit: ein meisterhafter Weckruf für die lauernder Gefahr durch legale, weil verschreibungspflichtige Pharmaka, die allein in de USA alljährlich viele tausend überwiegend junge Leute in Sucht und Tod treiben.

# Neal & Jarrod Shusterman: Roxy (aus dem Amerikanischen von Pauline Kurbasik und Kristian Lutze); 441 Seiten, Klappenbroschur; Sauerländer bei S. Fischer, Frankfurt; € 16

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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