ANTOINE LAURAIN: EINE
VERDÄCHTIG WAHRE GESCHICHTE
Nach 18 Tagen erwacht Violaine Lepage aus dem Koma. Schwer verletzt hatte die Cheflektorin
eines großen Pariser Verlages die Bruchlandung eines Flugzeugs überlebt. Trotz einiger
Gedächtnislücken weiß sie noch, dass sie zuletzt das Manuskript eines unbekannten
Autors aus der Flut der täglich hereinströmenden Angebote herausgepickt hatten und davon
überzeugt waren.
Mit hochinteressanten Einblicken in diesen Teil des Verlagswesens beginnt denn auch der
französische Erfolgsautor Antoine Laurain seinen jüngsten Roman unter dem Titel
Eine verdächtig wahre Geschichte. Ebenso charmant wie spitzzüngig widmet er
sich ausgiebig der Arbeit dieser Spürnasen im Literaturbetrieb.
Zwei bis drei Mal im Jahr haben sie einen Volltreffer und dieser nur 170 Seiten schmale
Band hat sofort gezündet. Die Zuckerblumen lautet der seltsame Titel, doch
niedlich ist der Inhalt wahrlich nicht. Vielmehr geht es um eine Art Bekenntnis zu vier
Morden aus Rache. Vom Autor erfahren Violaine und ihre drei Mitarbeiter nur den Namen
Camille Desencres und auch weiteren Kontakte erfolgen nur durch sporadische Mails.
Und überhaupt ist es ein Er oder eine Sie? Diese Identität wird bald schon aus
gleich zwei schwerwiegenden Gründen geradezu existentiell wichtig. Bei Violaine erscheint
nämlich Kommissarin Sophie Tanche von der Kriminalpolizei in Rouen, denn dort hat es zwei
Morde gegeben, wie sie exakt in Die Zuckerblume beschrieben worden sind.
Selbst die genannte alte Militärpistole ist gleich. Und dann passiert auch der dritte der
vier geschilderten Morde nach demselben Muster. Doch nicht nur die Kommissarin insistiert
immer ungnädiger, für Violaine eröffnet sich ein ganz anderes Problem, das sie sogar
den Job kosten könnte. Die Zuckerblumen wird ein solcher Erfolg, dass er nun
unter die vier engsten Anwärter auf den Prix Goncourt kommt.
Jeder Verlag ist wild darauf, einen Autor und sein Buch herauszubringen und damit diesen
höchsten Buchpreis Frankreichs zu ergattern. Aber dazu muss der Autor persönlich
zur Preisverleihung erscheinen. Während nun die hinreißend exzentrische Violaine mit all
ihren privaten Geheimnissen rotiert, entwickelt sich das Geschehen mit rasanter
Leichtfüßigkeit quasi en passant auch noch zum veritablen Krimi.
Der mit einem eleganten literarischen Taschenspielertrick auf ein grandioses Finale
zuläuft und dann für Bedauern sorgt dass er schon zu Ende ist. Dieses
Romanfeuerwerk, das genau genommen eben die Literatur und die Liebe zu ihr als zentralen
Inhalt hat, entlässt den Leser verzückt aus einer früh einsetzenden, unentrinnbaren
Sogwirkung.
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