DIRK SCHÜMER: DIE SCHWARZE
ROSE
Dirk Schümer, Journalist und Autor etlicher Sachbücher, wagt sich mit seinem ersten
Roman an ein großes Vorbild: Umberto Ecos Der Name der Rose von 1980. Der
Weltbestseller spielte im Jahr 1327 und es tobten theologische Kriege innerhalb der
katholischen Kirche.
Schümer geht nun ein Jahr weiter, als der einflussreiche Dominikaner-Mönch Meister
Eckehart (1260-1328) unter dem lebensgefährlichen Vorwurf der Häresie zu Papst Johannes
XXII. (1245-1334) befohlen worden ist. Seit 1309 und noch bis 1417 ist die Stadt Avignon
in der Provence Sitz der Päpste. Joan XXII., wie er hier genannt wird, liegt im heftigen
Widerstreit mit Kaiser Ludwig IV., der den totalen Machtanspruch der Kirche nicht
anerkennen will.
Meister Eckehart kommt in eine brodelnde Stadt und an seiner Seite ist der ebenfalls
deutsche Novize Wittekind Tentronk. In breitem Erzählstrom schildert dieser junge Mönch
das ungestüme Leben mit Spelunken, Spitzbuben und allenthalben Klerikern, die tagsüber
um die Gunst des Papstes wetteifern, nächtens aber jedes nur erdenkliche Vergnügen
suchen. Es herrschen unglaubliche Ränke zwischen den verdorbenen Kirchenmännern bis hin
zu mysteriösen Mordanschlägen.
Edelste Stätte der Begegnung ist das Pasture des Oiseaux und dort betört die
schöne Sängerin und Tänzerin Lisabeta jedermann. Und sie ist Die schwarze
Rose, wie denn auch der Titel des Romans heißt. Wittekind erlebt derweil die
Gefährlichkeit dieser Stadt und gerät schnell in heikle Abenteuer. Währenddessen wartet
Meister Eckehart auf seinen Prozess vor der Inquisition und nicht nur Wittekind ahnt, wie
weit der weise alte Mann mit einem Bein bereits auf dem Scheiterhaufen steht mit
Gedankengut wie seit vielen Jahren bin ich überzeugt, dass die größte
Kunstfertigkeit, die Gott den Menschen geschenkt hat, nicht die Theologie ist.
Rundherum aber toben heftigere Gegensätze zum Papst, denn im sogenannten Armutsstreit mit
den Franziskanern steht der Kaiser auf deren Seite und diese beiden Kontrahenten haben
sich sogar schon gegenseitig für abgesetzt erklärt. Dabei war dieser Papst der
Erste, der verstand, dass das Papsttum kein frommes Amt, sondern eine Goldgrube ist.
Wittekind steckt umgehend mittendrin in all den Intrigen und Fehden, bei denen auch
zahlreiche historische Protagonisten wie William von Ockham und Michele da Cesena wichtige
Rolle spielen. Unbeabsichtigt stößt der wendige Novize auf einen ungeahnten, sehr
handlichen Schatz, den er wohlweislich sicher versteckt.
Womit er zugleich Herr über ein Faustpfand von weltpolitischer Bedeutung ist, denn die
unscheinbare Metallform ist ein Prägestempel für Münzen aus Elektron
(Silber-Goldlegierung). Der extrem macht- und geldgierige Papst will mit eigenen Münzen
endgültig die Weltmacht an sich reißen.
Seine Feinde jedoch verfolgen einen genialen Plan: mit dem gestohlenen Prägestempel soll
in Italien minderwertiges Katzengold geprägt und in Umlauf gebracht werden
der Papst als Geldfälscher verlöre jedes Vertrauen und sein Machtgefüge bräche
zusammen. Doch wer kann hier irgendjemandem trauen und es sind gleich zwei geniale Pläne,
bei denen nichts schiefgehen darf.
Das Alles wogt hin und her und insbesondere die Spitzfindigkeiten der herrschenden
theologischen Auslegungsdiktatur mit strikten Regeln und grausamen Strafen faszinieren mit
all ihren Unbegreiflichkeiten aus heutiger Sicht. Da wird schließlich die inquisitorische
Audienz Meister Eckeharts bei dem bösartigen Papst zu einem besonderen Höhepunkt, wenn
sich der alte Narzisst sogar als Gotteslästerer gebärdet.
Mehr sei vom Finale dieses episch breit aber auch lebensprall erzählten Historienromans
nicht verraten. Dirk Schümer erweist sich als leidenschaftlicher Fabulierer samt
großartigem Zeit- und Lokalkolorit. Der sich zwar auch in allerlei Detailbeschreibungen
ergeht, dabei jedoch nicht mit zu vielen sperrigen Fakten und Abschweifungen den Lesefluss
abwürgt, wie dies bei großen Vorbild von Umberto Eco zuweilen genervt hat.
Geschrieben ist das Alles mit solch großer atmosphärischer Dichte und Lebendigkeit, dass
man wiederholt die Gerüche und manches mehr wahrzunehmen vermeint. Fazit: ein
überwältigender Lesegenuss für anspruchsvolle Leser, die es auch mal deftig vertragen.
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