FEMI FADUGBA: THE UPPER
WORLD
Ein Bandenkrieg zwischen Jugendlichen im prekären Londoner Süden und Einsteins
Relativitätstheorie in einem Roman kann das gehen? Das Kunststück hat der in
Afrika geborene und in England lebenden preisgekrönte Quantenphysiker Femi Fadugba
geschafft.
The upper World Ein Hauch Zukunft lautete der Titel seines
Debütromans, der auf zwei Zeitebenen läuft. In der Gegenwart sitzt der schwarze Teenager
Esso mit seinen Freunden Kato und Rob in einer Klasse der Penny Hill Secondary School. Der
Ich-Erzähler ist nur ein mäßiger Schüler, Physik und Mathematik aber mag er sehr und
versteht auch beides.
Ausgerechnet er, der nicht sonderlich sportlich und schon gar kein Kämpfer ist, gerät
dann zwischen die Fronten zweier Banden, die sich heftig bekriegen. Noch schlimmer: er
macht sich bei beiden Seiten durch sein bloßes Dortsein verdächtig und wird nun gejagt.
Wobei er prompt vor ein Auto läuft und eine Kopfverletzung davonträgt.
Und plötzlich kann er andere Dimensionen erkennen, in eine Art Obere Welt zwischen
Vergangenheit und Zukunft gehen. Noch verrückter: es eröffnet ihm den Blick in
zukünftige Geschehnisse. Was aber alles andere als rosig für ihn aussieht. Ebenso wenig
für seine geliebte Klassenkameradin Nadia.
Doch wenn er in die Zukunft blicken und sich zwischen den Zeitebenen bewegen kann
kann er sie auch verändern, Geschehen nachträglich neu gestalten? Wie er von seiner
Mutter erfährt, hatte sein verstorbener Vater ihm als Einziges ein Heft hinterlassen, in
dem er über genau diese upper world und ein Wandeln zwischen Raum und Zeit
spekuliert hatte. Allerdings hatte er die obere Welt als unzugänglich bezeichnet.
Anlass für eine Menge komplexe Erklärungen zu Physik, die der Autor mit geschickten
Metaphern darstellt, um diese unsichtbare Welt verständlich zu machen. Und mit ihr auch
den Sprung in die andere Handlungsebene im Jahr 2035. Hier versucht die junge Rhia mit
großem Ehrgeiz als Fußballerin aus ihren bescheidenen Verhältnissen in einer
Pflegefamilie herauszukommen.
Nun bekommt sie für ihren Schulbesuch einen Nachhilfelehrer, einen gewissen Dr. Esso
natürlich jetzt 15 Jahre älter. Er wiederum versucht ihr klar zu machen, dass er
für aktuelle Probleme in der Vergangenheit unbedingt ihre Hilfe braucht. Was sie erst
einmal mächtig verschreckt.
Wie sich die Zeiten schließlich verschränken, wie es zu Sprüngen zwischen den Welten
und überraschenden auch zwischenmenschlichen Erkenntnissen kommt, ist brillant
aufgezogen. Er erfordert aber hohe Konzentration und logischerweise ist ein Faible für
Mathematik, Physik, Einsteins Theorien und dergleichen sehr förderlich, um diesen
anspruchsvollen Roman für junge Leser ab etwa 15 Jahre genießen zu können. Immerhin hat
er solche Qualitäten, dass es bereits einen Vertrag für eine Netflix-Verfilmung gibt.
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