MICK HERRON: SPOOK
STREET
Es hat ganz viele gute Gründe, warum Mick Herrons Romane um die Slow Horses, die
abservierten Agenten des britischen Geheimdienstes MI5 zu einer der erfolgreichsten
Agentenserien der Welt geworden ist. Mit der mittlerweile vierten Geschichte unter dem
Titel Spook Street. Ein Fall für Jackson Lamb stellt er dies erneut
hinreißend unter Beweis.
Zum Einstieg gibt es einen infernalischen Bombenanschlag in einer Londoner Shopping Mall.
Die abgehalfterten lahmen Gäule vom ausgelagerten Slough House werden jedoch gar nicht
erst mit dem Fall befasst. Bauliche Eigenarten in der Dependance dienen dann zur
Vorstellung jener teils arg seltsamen Typen, die dort Dienst tun. Welchen auch immer.
Auf diesem Abstellgleis für Agenten wartet auch der junge River Cartwrighzt auf seine
Chance für einen neuen Karriereanlauf. Allerdings hat er ganz nebenher einige Sorgen
wegen seines Großvaters David, bei dem er aufgewachsen ist. Der jetzt 84-Jährige zeigt
deutliche Ansätze von Demenz und River fürchtet, dass er seine Lebensgeschichte
demnächst dem Postboten erzählt.
Das aber wäre fatal, denn der alte Haudegen war einst ein legendäres hohes Tier beim
MI5. Also auch ein Hort womöglich noch immer brisanter Staatsgeheimnisse. Als dann ein
junger Mann am Haus des Alten in einem Dorf in Kent auftaucht, ähnelt der dem Enkel River
fast wie ein Zwilling. Dennoch wird der Senior nicht nur misstrauisch er erschießt
den Besucher.
Nun schaltet sich auch Jackson Lamb ein, der Chef der Slow Horses, und das so abgewrackt
erscheinende biestige Raubein, das von oben so gern unterschätzt wird, läuft
zu Hochform auf. River Cartwright allerdings, der rechtzeitig beim Großvater aufgetaucht
war, um diesen vor schlimmerem Unheil zu bewahren, geht mit ihm auf Tauchstation.
Wobei er selbst sogar außer Landes geht nach Joe Country, dem Gebiet der
Agenten, der feindlichen. Mit dem Pass des gescheiterten Attentäters und einigen wenigen
Utensilien dieses Adam Lockhead macht er sich auf nach Frankreich zu dem Ort. Lockhead war
nämlich offensichtlich in dem Ort, wo der Großvater gern urlaubte.
Und River spielt tatsächlich den 007, obwohl ihm dazu jede Menge fehlt. Womit der
Spionageroman ungemein Fahrt aufnimmt und bald mächtig was los ist. Da trupfen dubiose
Gestalten ebenso auf wie die vermeintlichen Versager aus dem Slough House. Zugleich mengt
der neue oberste Chef des MI5 mit und zahlt einiges an Lehrgeld.
Der Fall entwickelt sich immer verzwickter mit manchen unerwarteten Wendungen und sogar
der Anschlag in der Shopping Mall sorgt für überraschende Nebengeräusche zwischen den
Geheimagenten.
Wobei es in den herrlich bissigen Dialogen unter anderem zu der zynischen Erkenntnis
kommt: Geheimnisse bleiben nicht geheim. Nicht on Spook Street. Das Alles
bleibt hochspannend und glänzt mit meisterhaften Charakterzeichnungen. Mick Herron
erweist sich einmal mehr als würdiger Nachfolger von John le Carré und liest sich dabei
spürbar jünger und dreckiger.
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