PHIL KLAY: DEN STURM
ERNTEN
Missionaries heißt der Originaltitel von Phil Klays ersten Roman und entlarvt
wird darin, was der Missionseifer, mit dem die USA immer wieder militärisch die Segnungen
von Recht, Ordnung und Demokratie fremden Staaten bescheren wollen, den so Beschenkten
tatsächlich einbrockt.
Klays kann dabei aus eigenen Erfahrungen als ehemaliger US-Marine mit Einsatzzeiten in
Afghanistan schöpfen und auch der deutsche Titel Den Sturm ernten trifft es
durchaus. Vier Protagonisten an drei eindrücklichen Schauplätzen stellt der Autor
abwechselnd in den Mittelpunkt, bis sie schließlich im Kolumbien des Jahres 2016
aufeinandertreffen.
Hier startet der Roman auch in den 80er Jahren mit Abel, der in einem Provinzdorf
aufwächst, dessen ärmlicher Frieden im aufziehenden Widerstreit zwischen Paramilitärs,
Guerrilleros und Narko-Banden auf brutale Weise untergeht. Er selbst erleidet schlimmste
Qualen, bis er zwangsweise zu den Fußtruppen der Paras rekrutiert wird. Drogenbarone und
die FARC-Rebellen zerreißen Kolumbien auf Jahrzehnte.
Dann springt das Geschehen zu Lisette, als abgebrühte US-Kriegsberichterstatterin
mittendrin, als in Kabul 2015 eine Welle von Bombenanschlägen auch den letzten
imaginären Hoffnungsschimmer einer wie auch immer gearteten Friedensordnung hinwegfegt.
Mit einer Mischung aus Zynismus und Naivität wird die Journalistin, die selbst voller
Widersprüche steckt, die interessanteste Figur des Romans.
Zugleich ist Phil Klay bei diesen Afghanistan-Passagen eine ganz große ahnungsvolle
Situationsbeschreibung gelungen, wenn da ein Blackwater-Söldner zu Lisette sagt:
Die Frage ist nicht, ob wir gewinnen können. Sondern, ob es schlimmer wäre, wenn
wir aufgeben würden. Worauf sich die Antworten mit der Evakuierung der Alliierten
im Sommer 2021 von selbst ergaben.
Während Lisette verbiestert endlich aus einem Krieg berichten will, den die USA nicht
verlieren was sie 2016 nach Kolumbien verschlägt sammelt Mason, inzwischen
Mitglied der American Special Forces, in den ersten Jahren des Irak-Krieges als Sanitäter
übelste Erfahrungen in den Häuserkämpfen in Bagdad.
Und es ist ein zynischer Euphemismus, wenn er angesichts zahlloser ziviler Opfer
feststellt: Es ist unangenehm, einen Krieg bei den Leute zu Hause zu kämpfen.
Was in Kolumbien mit endlosen Schändlichkeiten und Gewalttaten von allen Parteien an der
Tagesordnung war. Bis es auch dank der überlegenen technischen US-Hilfe nicht nur gelang,
einen übermächtigen Boss der Drogen-Clans zu eliminieren.
Hier spielt der kolumbianische Oberstleutnant Juan Pablo eine gewichtige Rolle. Doch so
sehr der Krieg im eigenen Land seinen Beruf einen Sinn gab, so frustriert ist er auch und
auf das ehrenhafte aber rabiate Tun des Militärs angesprochen, stellt er trocken fest:
Soldaten haben sich nicht um Gerechtigkeit zu scheren. Womit er auch den
Freudentaumel über das fragile Friedensabkommen zwischen Regierung und FARC von 2016 in
ein kritisches Licht stellt.
Wo dann Kriegsberichterstatterin Lisette den Sieg ihres Landes nur knapp überlebt.
Ohnehin sind die Grenzen zwischen dem etwas Guten und dem vielen unsagbar Bösen fließend
und der Begriff Erfolg hängt ganz wesentlich von der Perspektive des Urteilenden ab. Und
die ist durchweg geprägt von einer rasenden fahrt durch eine ebenso blutrünstige wie
reale Geisterbahn von Gewalt, Verbrechen und Unmenschlichkeit.
Phil Klay zeigt die authentische Fratze des Kriges, mag er noch so sehr von
oben als hehre Mission ummäntelt worden sein. Fazit: ein mitreißender, aber nur
schwer erträglicher Anti-Kriegsroman auf hohem literarischen Niveau.
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