RAYMOND CHANDLER: DIE LADY IM
SEE
The Lady in the Lake war Raymond Chandlers vierter Roman und er gehört zu den
legendären Philip-Marlowe-Krimis, Der daraus 1947 entstandene Film war wegen der
ungewohnten subjektiven Kameraführung kein wirklicher Erfolg und die deutsche fassung
unter dem Titel Die Tote im See kam sogar erst in den 70er Jahren ins deutsche
Fernsehen.
Doch auch die deutschen Buchfassungen waren aufgrund mäßiger bis teils mangelhafter
Übersetzungen keine Werbung für den im Original von 1943 gefeierten Roman. Nun endlich
liegt jedoch eine angemessene Übertragung vor und wenn man diese Neuauflage unter dem
Titel Die Lady im See liest, vermeint man einen der Kultfilme der 40er Jahre
vor sich zu haben.
Ganz so ist ja auch die Grundstimmung, wo die Reichen und die Schönen wie auch die
Ganoven sich von dem inzwischen auch für die USA ausgebrochenen Zweiten Weltkrieg nicht
interessieren. Sie frönen dem Luxus und den Ausschweifungen und so manchem Polizisten ist
fast weniger zu trauen als den Gangstern. Was auch Ich-Erzähler Philip Marlowe immer
wieder zu spüren bekommt und natürlich auch in diesem Fall.
Der zunächst harmlos und alltäglich für den abgebrühten Privatdetektiv beginnt. Er
soll die attraktive aber wohl auch sehr ungebärdige Crystal Kingsley suchen. Ihr
vermögende Gatte vermisst sie seit einigen Wochen. Sie war zur privaten Ferienhütte am
Little Fawn Lake in den San Bernadino Bergen gefahren, hatte sich von dort aber angeblich
nach Mexiko abgesetzt.
Das jedenfalls besagt ein Telegramm von ihr, nach dem sie sich scheiden lassen und dort
ihren Liebhaber Lavery heiraten wolle. Kingsley hat nun jedoch von genau dem erfahren,
dass der davon gar nichts weiß. Nun will der Unternehmer wissen, was wirklich passiert
ist. Marlowe stößt in der Bergidylle einerseits aus Polizisten, die offensichtlich
korrupt und allergisch gegen Privatschnüffler sind.
Andererseits findet er am Ferienhaus den Verwalter Chess vor, dessen ebenfalls sehr
attraktive Ehefrau ihn gleichfalls nach einem Streit verlassen hat. Und dann taucht eine
arg deformierte Frauenleiche im See auf und bleibt nicht diesem einen Todesfall. Der
ohnehin desillusionierte Marlowe steht vor einem komplexen Geflecht von Verwicklungen und
eines ist dabei ganz selten: ehrliche Menschen.
Mehr sei von dem undurchsichtigen aber durchgehend spannenden Fall nicht verraten. Auch
nach so vielen Jahrzehnten fesseln die Figurenzeichnungen und die knochentrockenen Dialoge
ebenso wie der grimmige schnörkellose Erzählton. Und all diese meisterlichen Vorzüge
holt die Neuübersetzung von Robin Detje in frischen farben zurück, so dass der
krimi-noir-Klassiker zu einem großen Lesevergnügen wird, das wie neu wirkt.
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