EMUNA ELON: „DAS HAUS AUF DEM WASSER“


Joel Blum ist ein israelischer Erfolgsautor. Als er nun auf Drängen seiner niederländischen Verlegers, für den dritten auch dort erscheinenden Roman endlich doch einmal nach Amsterdam zu kommen, nachgibt, verstößt er damit gegen das strenge Versprechen seiner Mutter gegenüber, niemals dorthin zu fahren.
Doch seine Mutter ist mittlerweile verstorben und so reist er nach Amsterdam. Damit beginnt Emuna Elons neuer Roman „Das Haus auf dem Wasser“ und die gefeierte israelische Autorin widmet sich darin einem eher selten berührten Aspekt des Holocaust. Schriftsteller Blum wird auf seiner Lesereise, auf der ihn Ehefrau Bat-Ani begleitet, mit dem bisher erfolgreich verschleierten Faktum konfrontiert, dass er selbst einst als Spross einer alteingesessenen jüdischen Familie in Amsterdam geboren wurde.
Wirklich erschüttert aber wird er dann bei einem Besuch im Jüdischen Museum der Metropole. Dort läuft in Endlosschleife die Filmsequenz einer Hochzeit, unter den zu sehenden Gästen seine Mutter Sonja und sein Vater, den er nur von Fotos kennt. Schockierend jedoch das Baby auf Mutters Arm: ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, aber – ganz sicher nicht er!
Wieder daheim erfährt er von seiner älteren Schwester nur vage Andeutungen. Doch auch die Mutter hatte nie etwas preisgegeben aus der Vergangenheit, stattdessen das Trio als kleine „Familienzelle“ nach außen strikt abgeschottet. Natürlich kann Joel, inzwischen ja selbst schon Großvater, gar nicht anders, als erneut nach Amsterdam zu reisen. Diesmal allein auf unbestimmte Zeit.
Er mietet sich in einem Hotel gegenüber seinem einstigen Elternhaus ein und beginnt mir ebenso schwierigen wie schmerzlichen Nachforschungen. Weltberühmt ist die Geschichte der Anne Frank, doch das Wüten der Nazis während der Besatzungszeit hatte weitaus mehr Aspekte. Immerhin kamen rund 100.000 der 140.000 niederländischen Juden ums Leben. Eine besondere Seite waren dabei die Kinder, die zahlreiche Mütter in die Obhut christlicher Familien gaben, um so wenigstens ihr Überleben zu gewährleisten.
Das gelang zwar in etlichen Fällen, die Trennung von den Eltern jedoch blieb oft irreversibel, sofern diese überhaupt überlebt hatten. Für Joel Blum wird das nicht nur eine heikle Suche nach Fakten, es geht auch um seine eigene Identität. Aus dieser Suche nach der eigenen Vergangenheit soll nun sein neues Buch entstehen und damit setzt ein Roman im Roman ein, in dem die geliebte Mutter edie zentrale Rolle spielt.
Es sind komplizierte Wahrheiten, denen er auf die Spur kommt. Oder sie als realistische Fiktion erfindet, so wie er ja schon Schriftsteller wurde, weil er immer wieder Schicksale und Personen als Ersatz für fehlenden Gewissheiten kreierte. - Das ist keine leichte Kost und dabei durchgehend sehr ernst und oft genug tragisch. Zugleich lohnt das Reinlesen, denn die komplexe Geschichte fesselt zunehmend und glänzt obendrein mit einer intensiven, anspruchsvollen Prosa, die diesen Roman zu einem literarischen Hochgenuss macht.

# Emuna Elon: Das Haus auf dem Wasser (aus dem Hebräischen von Barbara Linner), 360 Seiten; Aufbau Verlag, Berlin; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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