DAMON GALGUT: „DAS VERSPRECHEN“


Damon Galgut ist einer der renommiertesten Schriftsteller Südafrikas und mit seinem jüngsten Roman „Das Versprechen“ erlangte er nun höchste Ehren: den Booker Prize 2021.
Und dieser Autor erweist sich als ebenso wichtige wie gewaltige Stimme seines Landes, in dem auch 27 Jahre nach der offiziellen Überwindung des Apartheidssystems so vieles ganz und gar nicht gut geworden sind. Wie ein Fluch lastet die unheilvolle Vergangenheit auf Politik und Gesellschaft und als Projektion benutzt Galgut die weiße Farmersfamilie Swart, die nicht weit von der Hauptstadt Pretoria auf dem Land lebt.
Am Anfang steht der Krebstod von Rachel Swart, der 40-jährigen Mutter von Amor. Das Mädchen wird stumme Zeugin des titelgebenden Versprechens, das die Sterbende ihrem Ehemann Hermann „Manie“ Swart abnahm: nach ihrem Ableben sollte die schwarze Magd Salome die kleine Hütte auf dem Farmgelände, in der sie mit ihrem Sohn hauste, überschrieben bekommen. Der versoffene und ständig fremdgehende Manie verspricht es leichthin.
Doch es sei vorweg gesagt – weder er noch seine Erben, der Erstgeborene Anton und Amors Schwester Astrid, denken daran, das Versprechen einzulösen. Obwohl nur Manie sich noch darauf berufen kann, dass in diesem Jahr 1986 unter strenger Apartheid Schwarze ohnehin kein Eigentum erwerben dürfen.
Entlang den politischen Umbrüchen folgen nun weitere Kapitel zu jedem Familienmitglied, außer zu Amor, die als eine Art roter Faden durch die nächsten fast vier Jahrzehnte führt. Doch jedes Kapitel ist geprägt von einer Beerdigung, die die Familie jeweils wieder zusammenführt. Und die da sterben, stehen für bestimmte politische Haltungen. Wie Manie, der sich zuletzt zwar über eine ausbeuterische Kirche läutert, sich jedoch längst körperlich ruiniert hat.
Während sich Astrid erst der Schönheit wegen fast ins Grab hungert, dann aber in zweiter Ehe zu Wohlstand kommt und einem hedonistischen Lifestyle samt schwarzem Lover frönt, scheitert Anton als Familienoberhaupt. Als hoffnungsvoller echter Bure in die Armee eingetreten, ließ er sich mit 19 zu einem Verbrechen hinreißen. Er erschoss eine schwarze Frau und Mutter und wurde mit dieser Tat nie fertig, obwohl sie 1986 geschah und er keinerlei Bestrafung zu befürchten hatte.
So talentiert er auch sein mochte, seine Versuche als Schriftsteller scheiterten nicht zuletzt an seinen Depressionen. Vor allem aber kann er sich nie mit den gesellschaftlichen Veränderungen abfinden und versinkt schließlich derartig in Apathie und Düsternis, dass er sich umbringt.
Alle hatte Amor jeweils zu den seltene Zusammenkünften bei den Beerdigungen an das Versprechen gegenüber Salome erinnert. Doch erst sie, die sich ohnehin als Krankenschwester aufopferte und nun als letzte Swart-Erbin übrigen ist, macht Ernst damit. Und erst sie löst diesen Fluch auf, der auf der Familie wie auf dem Land zu liegen scheint. Das es so schwer hat zu dem zu finden, was der jetzt verstorbene Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu einst so hoffnungsvoll als „Regenbogennation“ mit all seinen Volksgruppen und Sprachen bezeichnet hatte.
Damon Galgut gibt all den sehr verschiedenen Haltungen der weißen Südafrikaner seit den Endjahren des Apartheids-Unrechtssystem bis in die Gegenwart eine prägnante Stimme. Seine bildstarke Prosa zieht den Leser mit den immer wieder wechselnden Perspektiven wie auch den grandiosen Stimmenwechseln – oft mitten im Satz – sofort in den Bann. Fazit: ein würdigerer Preisträger des Booker Prizes ist kaum vorstellbar als dieses literarische Meisterwerk eines Gesellschaftsromans.

 

# Damon Galgut: Das Versprechen (aus dem Englischen von Thomas Mohr); 368 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, Mücnhen; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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