LEV GROSSMAN: „DER SILBERPFEIL“


Das Leben von Kate ist komfortabel aber furchtbar langweilig und die Eltern haben vor lauter Arbeit nie Zeit. Da schreibt sie vor ihrem elften Geburtstag einen Brief an den fernen, angeblich sehr reichen Onkel Herbert mit der Bitte um ein irgendwie besonderes Geschenk.
Und was präsentiert der freundliche Sonderling: am Geburtstag lässt er eine 102 Tonnen schwere Dampflokomotive samt Kohlentender anliefern! Die Schienen dafür hat er über Nacht heimlich im Garten legen lassen. Natürlich sind die Eltern entsetzt und das Ungetüm soll sofort wieder weg. Doch der Onkel hat vorgesorgt und lässt Kate und ihren zwei Jahre jüngeren Bruder Tom unbemerkt an Bord steigen.
Damit beginnt Lev Grossmans erster Kinderroman „Der Silberpfeil“, so nämlich heißt die Lok. Was damit noch in derselben Nacht passiert, ist laut Untertitel „Die abenteuerliche Reise in einem magischen Zug“. Schon der Start hat es in sich, denn die Lok gibt den Geschwistern mit „Klick-ping“-Botschaften Anweisungen, was sie tun müssen, um sie in Gang zu setzen.
In einem Abstellbahnhof lässt der Onkel sie alle Waggons anhängen, die sie für wichtig halten vom Speise- und Schlafwagen bis hin zu einem Bibliothekswaggon und sogar einem für Geheimnisse. Doch erst als sie in einem Wald zu einem kleinen Bahnhof kommen, wird es richtig magisch, denn: dort warten Passagiere, allesamt Tiere wie Rehe, ein Braunbär, ein Dachs und einige Vögel.
Jedes hat eine Fahrkarte im Maul oder im Schnabel und selbstverständlich können sie sprechen. Bei immer neuen Bahnhöfen steigen solch spannende Tiere wie eine Fischkatze, eine hochgiftige Grüne Mamba und ein Fischreiher ein. Eine besondere Rolle nimmt schließlich ein Stachelschwein ein. Natürlich kabbeln sich die Tiere untereinander, ansonsten aber bleibt es friedlich.
Kate und Tom aber haben als Schaffner nicht nur viel Verantwortung und zu tun, je mehr sie durch immer neue Landschaften wie dem Regenwald, Mangrovensümpfen, Wüsten oder unter dem Meer mit dem „Silberpfeil“ sausen, desto mehr lernen sie von den Tieren, warum diese ihre Lebensräume verlassen und neue suchen müssen.
Doch es wird auch richtig brenzlig, als an einem Bahnhof Tiere ohne Fahrkarten in den Zug eindringen wollen: sogenannte Verdränger, Tiere, die anderen den Lebensraum wegnehmen. Und die Geschwister lernen dabei, dass der „haarlose Affe“ als der schlimmste aller Verdränger auftritt: der Mensch.
Während der „Silberpfeil“ längst zu einer Arche Noah auf Schienen geworden ist, wird die Reise immer verrückter. Die Wahrheiten aber, die dabei ganz spielerisch mit viel interessantem Wissen über die Tiere und ihre Bedrohung erzählt werden, fließen wie selbstverständlich auf spannende Weise ein.
Lev Grossman ist mit diesem Roman eine Art Öko-Fabel gelungen, die auf einfach zauberhafte und absolut mitreißende Weise Kindern ab zehn Jahre beibringt, dass die Welt zwar ihr Gleichgewicht verloren hat, es jedoch noch nicht zu spät ist, etwas dagegen zu unternehmen. Prädikat: besonders wertvoll.

# Lev Grossman: Der Silberpfeil. Die abenteuerliche Reise in einem magischen Zug (aus dem Amerikanischen von Martina Tichy); 236 Seiten, ill.; Rowohlt Rotfuchs, Hamburg; € 12

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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