JUDY BATALION: SAG NIE, ES
GÄBE NUR DEN TOD FÜR UNS
Es ist längst bekannt, dass es gegen den Holocaust auch jüdische Widerstandskämpfer
gab, darunter allein rund 30.000 Partisanen und ungezählte in den großen
Ghetto-Aufständen. Eine völlig zu Unrecht geradezu ignorierte Tatsache aber ist auch,
dass es zahlreiche jüdische Frauen gab, die nicht nur mithalfen, sondern ebenfalls
wichtige Aktivitäten im Kampf gegen die Nazis beitrugen.
Nun endlich liegt darüber eine große Untersuchung vor, verfasst von der kanadischen
Kunsthistorikerin Judy Batalion, die selbst Enkelin von Holocaust-Überlebenden ist.
Sag nie, es gäbe nur den Tod für uns hat sie das Ergebnis jahrelanger
Recherchen überschrieben und der Untertitel sagt es deutlich: Die vergessene
Geschichte jüdischer Freiheitskämpferinnen.
Der Einstieg war bemerkenswert für die Autorin, denn während ihrer Arbeit in London
spürte sie in der British Library eine vergilbte alte Sammlung Aufzeichnungen auf. Und
was da auf Jiddisch in kleiner Handschrift geschrieben stand, waren keine Klagegesänge
über die schlimmen Zeiten oder Trauerreden es ging vielmehr um aktiven Widerstand!
Judy Batalion hatte etwas über starke jüdische Frauen gesucht, hier jedoch wurden alle
Erwartungen weit übertroffen. Die Schriften stammten von meist sehr jungen Frauen, die
sich mit Sabotage, Waffenbeschaffung, Tarnungen, Dynamit und heiklen Kurierdiensten
befassten. Mittendrin in geheimdienstlichen Missionen agierten sie , und wer
arisch aussah, konnte um so offener als Kurier unterwegs sein oder gar mit
SS-Leuten flirten, um Dinge auszuspionieren.
Die Autorin gibt hier Frauenschicksalen ein Gesicht, wobei die bei Kriegsbeginn erst 15
Jahre alte Renia Kukielka als eines der bekannteren Ghetto Girls eine
besondere Rolle spielt. Die Motive der Widerstandskämpferinnen waren gleich, sie wollten
andere Juden retten und gegebenefalls in Würde sterben: Die Juden rappelten sich
auf, weil sie sterben wollten wie Menschen.
Die Frauen hatten gegenüber den männlichen Juden die Vorteile größerer
Unauffälligkeit. Einerseits sprachen sie meist neben Jiddisch auch ein akzentfreies
Polnisch, weil sie normale Schulen besuchten. Und natürlich konnte man sie nicht wegen
der Beschneidung entlarven. Bei den Strapazen, Drangsalen und Folterungen hingegen hatte
die Frauen die gleiche unmenschliche Brutalität zu erleiden.
Entsprechend hart gingen auch sie vor, wenn es darum ging, Soldaten und SS-Schergen zu
töten, Waffen er erbeuten und sogar Panzer zu zerstören. Die Schilderungen aus diesen
Aktionen wie auch aus dem KZ-Erleben sind höchst authentisch und das Lesen zuweilen nur
schwer zu ertragen. Und zugleich packend wie gerade die Erlebnisse Renia Kukielkas zeigt.
Sie transportierte lebenswichtige Dinge wie gefälschte Papiere oder auch Granaten und
wurde schließlich von der Gestapo geschnappt. Auf abenteuerliche Weise konnte sie
trotzdem entkommen und sich bis nach Palästina durchschlagen. Sie war eine der
Zeitzeuginnen, die unter anderem in den USA vom Widerstandskampf jüdischer Frauen
erzählten.
Doch obwohl sie 90 Jahre alt wurde, musste erst dieses verdienstvolle Buch geschrieben
werden, um ihr Schicksal und das einer großen Zahl von Mitstreiterinnen einer breiten
Öffentlichkeit vorzustellen. Fazit: ein spannender Bericht aus einer unfassbaren Phase
der Menschheitsgeschichte, der längst überfällig war.
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