LISABETH POSTHUMA: „BABY & SOLO“


Über Jahre wurde Joel Teague wegen psychischer Störungen behandelt, die letzten beiden Jahre sogar stationär. Nun mit 17 soll er einen Job annehmen als ersten Schritt zurück in die Normalität. Und er wird auch gleich fündig bei ROYO-Video, dem angesagtesten Video-Shop in seiner US-Kleinstadt.
Das ist denn auch der Einstieg zu „Baby & Solo“, dem Jugendbuchdebüt von Lisabeth Posthuma. Wer nun stutzt wegen Videos – die Geschichte spielt 1996, als der Video-Verleih absolut angesagt war. Außerdem spielen jede Menge Filme, die noch heute Kult sind, seine so wichtige Rolle, dass die Mitarbeiter in dem Shop allesamt offiziell Rollennamen tragen.
Was Ich-Erzähler Joel sehr begrüßt als zusätzlichen Schutz für das Geheimnis um seine Vergangenheit. Als Star Wars-Fan wählt er das Pseudonym Solo von „Han Solo“ und die sehr junge Chefin, auf die er immer wieder einen lüsternen Blick wirft, nennt sich Scarlet. Viel wichtiger aber ist Nicole Palmer, ein Jahr älter, die sich bewusst unter dem Namen „Baby“ versteckt.
Es sei vorweg gesagt: so sarkastisch und zugleich trotz seiner letzten Jahre ganz ohne Selbstmitleid Solo auch erzählt, man muss sich Mühe geben, um sich reinzulesen. Das liegt aber weniger daran, dass vieles sehr typisch amerikanisch ist, als daran, dass er vieles geheim hält und immer wieder nur andeutet, dass offenbar „das Schlimme“ für seine spezielle Vergangenheit gesorgt hat.
Was es mit diesem Kindheitstrauma auf sich hat, erschließt sich in Gänze erst zum Schluss hin, doch bis dahin hat man sich längst in dieser komplexen Geschichte festgelesen. Ganz entscheidend aber ist die Beziehung, die sich bald zur Kollegin Baby entwickelt, die als Essgestörte auch ihre Macken hat und gern rotzig bis sarkastisch reagiert.
Es entsteht keine Romanze zwischen den Beiden, vielmehr eine innige Freundschaft. Hinzu kommt, dass Baby schwanger ist und damit zusätzliche nicht nur psychologische Probleme hat. Spannungsgeladen geht es in immer wieder zwischen ihnen zu und für Solo ergibt sich ein großes Dilemma – wie sehr kann man Geheimnisse für sich behalten, ohne die Freundschaft zu beschädigen?
Immerhin reagiert Baby auf erste Offenbarungen Solos ausgesprochen positiv: er sein „ein bisschen kompliziert“, erscheine ihr aber nicht verrückt. Trotz Freundin Crystal, die offenbar nur für Solo existiert. Und wie ein schwieriges Puzzle kommt die Wahrheit über seine Vergangenheit stückchenweise zum Vorschein. Dabei hat er nicht mit sich sondern ganz besonders mit seiner kontrollsüchtigen Mutter zu kämpfen. Und nur so viel sei noch verraten – sie hat einen entscheidenden Anteil an seinen durchlittenen Traumata.
Psychologisch geschickt ausgeklügelt, bietet „Baby & Solo“ ein außergewöhnliches, fesselndes Lesevergnügen für junge Leser ab etwa 15 Jahren.

# Lisabeth Posthuma: Baby & Solo (aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz); 424 Seiten; Hanser Verlag, München; € 19

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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