CAROLINE ROSALES: „DAS LEBEN KEINER FRAU“


Wenn der Verlag den Roman „Das Leben keiner Frau“ von Caroline Rosales mit der Bemerkung bewirbt, dass hier eine alte weiße Frau den Blues habe, muss dem einleitend entschieden widersprochen werden. Eine derartige Einordnung beschwört ein seit Jahrzehnten nicht mehr zutreffendes Bild einer deutschen Hausfrau mit angegrautem Dutt, Kittelschürze und Filzpantoffeln heraus.
Aber: erstens sind gegenwärtig Frauen um die 50 mittendrin im Leben und oft genug ausgesprochen selbstbewusst und attraktiv. Und zweitens steht im Mittelpunkt dieses Debütromans – der thematisch gar nicht weit entfernt ist vom autobiografischen Sachbuch „Sexuell verfügbar“ der Autorin – mit Melanie Moosburger ein Musterbeispiel einer solchen starken modernen Frau.
Mel feiert eingangs ihren 50. Geburtstag in ihrer teuren Wohnung und ist das umschwärmte „Golden Girl“. Als stellvertretende Chefredakteurin der „Münchner Zeitung“ hat sie den Zenit erreicht, die Medienkollegen tummeln sich auf der Party und so hitzig wie die Sommernacht lässt sich sie sich angesäuselt und brünftig auf einen neuen Kollegen ein. Sex ist nötig, Alkohol ebenso, schließlich gilt es einiges an Narzissmus und Geltungsdrang zu befriedigen.
Doch vom Gipfel geht es offenbar nur noch bergab, wie die ebenso blitzgescheite wie sarkastische reife Schönheit als Ich-Erzählerin immer schonungsloser konstatiert. Der neue Lover erweist sich als miese Type, aber viel schlimmer dann dazu noch die schlichte Feststellung ihres Gynäkologen wegen leichter Beschwerden – die Wechseljahre stehen bevor! Diesem niederschmetternden Schock solgt in der Redaktion gleich der nächste in Gestalt von Eiliki von Schausten.
Chefredakteur Werner, langjähriger Weggefährte Mels seit der Journalistenschule, will die 25-Jährige frisch von der Akademie weg mit der feministischen Montagskolumne betreuen – bisher Mels Markenzeichen. Und der schlägt er die Dienstagskolumne mit Themen zum Beispiel über junge Großmütter vor.
Mel tobt. Sie empfindet es als Degradierung und kann nicht anderes denken, als dass „die dunkelblonde Pissnelke“ das nur ihrer sexy Erscheinung zu verdanken. Die Oma-Rolle ist ohnehin nicht Mels Ding, obwohl Tochter Mona gerade das zweite Kind erwartet. Allerdings hadert Mel sowieso mit Mona – 25 Jahre alt wie die neue ehrgeizige Kollegin – und deren mangelndem Biss. Hausfrau und Mutter will sie sein an der Seite des schwächlichen Gatten und das trotz Master of Business Administration. „Sie ist die älteste 25-Jährige der Welt“, charakterisiert Mel sie verächtlich.
Doch so ablehnend sie mit Mona umgeht, so schwer trägt Mel selbst an den seelischen Schäden, die ihr die eigene Mutter von Kindheit an durch Lieblosigkeit und mangelnde Anerkennung auch noch so starker Leistungen zugefügt hat. Und noch immer beibringt, denn die alte, verfettete Megäre ist mit ihren jetzt 83 kein bisschen altersmilder geworden, braucht und fordert aber Hilfe.
Und die Abwärtsspirale dreht sich weiter, denn Mel fällt es beruflich auf die Füße, dass sie Eiliki derartig auflaufen lässt, dass die nach ihrer ersten missglückten Kolumne gefeuert wird. Ganz nebenher verliebt sich Mel endlich wieder und erlebt mit dieser Romanze eine schmerzliche Enttäuschung.
Zwischendurch gibt es einen Ausflug in hinreißende Gesellschaftssatire, als Mel die Geburtstagsfeier ihrer älteren matronenhaften Schwester mit ganz viel Dirndl-Schickeria besucht. Erneut wird Mel hier messerscharf und giftig, als wär's von Lisa Eckhart geschrieben. Doch auch schmerzliches begegnet ihr dort am Starnberger See: Mels Ex-Mann Laurent, jetzt 61 und verheiratet mit einer ganz Jungen, die das Kind erwartet, das er mit ihr nicht hatte haben wollen.
Die zehn Jahre mit ihm sind eine ähnlich unverheilte Wunde wie die die durch die Mutter. Es liegt eine verbissene Tragik über diesen vier Wochen, in denen der Kämpferin das Leben entgleitet und – die alten weißen Männer um und über ihr sind nur bedingt schuld.
Was bei Mels glashartem Urteil auffällt, ist das, was man vulgär als Stutenbissigkeit bezeichnet. Sie ätzt dabei fast blindwütiger gegen ihre Geschlechtsgenossinnen als gegen die immer noch durchregierenden Patriarchen und lässt eine Errungenschaft zumindest mancher jüngerer Frauen völlig vermissen: Solidarität unter ihresgleichen.
Geschrieben ist das Alles ebenso explizit wie rotzig und fasziniert zugleich mit geschliffener Satire, die diesen spektakulären Gesellschaftsroman mit einem Lesestoff zum Glühen bringt, der ganz gewiss viel Stoff für kontroverse Debatten birgt.

# Caroline Rosales: Das Leben keiner Frau; 233 Seiten; Ullstein Verlag, Berlin; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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