ANNE STERN: „MEINE FREUNDIN LOTTE“


Erst in den letzten Jahren wurde eine der ganz großen Maerinnen des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt und ihr Werk eine rbreiten Öffentlichkeit vorgestellt. Lotte Laserstein (1898-1993). Als die Erfolgsautorin Anne Stern auf diese Künstlerin stößt, fällt ihr eine immer wieder gemalte Person auf und sie beginnt nach den Hintergründen zu recherchieren.
Schon die Entstehungsgeschichte des Romans „Meine Freundin Lotte“ liest sich interessant, denn diese Muse namens Traute Rose (1903-1989) spielte tatsächlich eine herausragende Rolle im Leben der Malerin. Während es außer dem Schatz der Gemälde Lasersteins auch eine Fülle an Dokumenten in ihrer Hinterlassenschaft gab, galt für Roses zahlreiche Briefe an ihre Freundin, dass sie auf Dauer unter Verschluss bleiben müssen.
Was für Biografen ein herber Verlsut gewesen wäre, bedeutet für Anne Stern das Gegenteil: „Diese Lücke, diese Leerstelle inspirierte mich.“ Und so verlieh sie der Muse eine Stimme und schuf damit den Roman zweier spannender Frauenleben im 20. Jahrhundert, der sich auf der Grundlage intensiver Recherchen sehr weitgehend an den wirklichen Ereignissen orientiert.
Lotte Laserstein war 1921 eine der ersten Frauen, die sich einen Studienplatz an der Berliner Kunstakademie erkämpften. Erich Wolfsfeld, jüdisch wie seine Lieblingsschülerin, förderte sie in ihrer Malkunst, die zwischen Realismus und Neuer Sachlichkeit lag, bis zum Abschluss mit dem Meisterdiplom.
Im Winter 1924 begegnet Laserstein Traute Süssenbach und gewinnt sie sofrt ams Modell, das umgehend mit immer neuen Porträts und Aktgemälden zu ihrer Muse wird. Es entstehen Bilder, die in den 20er Jahren Furore machen. Die Maler kann sich sogar selbständig machen und um 1930 hat sie einen echten Namen. Der Roman aber setzt 1961 ein, mit einem Wiedersehen in Lottes schwedischem Domizil in Kalmar, wo Traute eine Zeit mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Ernst Rose verbringt.
1937 war das Freundschaftsband zerrissen, als Lotte flüchten musste mit der bitteren Erkenntnis: „Meine Bilder waren den Nazis nicht um ihrer selbst willen zuwider, nein, es war die Rasse ihrer Malerin, die sie zu Verfemten machte.“ Erst 1946 hatte es wieder Kontakte gegeben, doch in diesem Sommer herrscht „ein merkwürdiger Spalt zwischen Vertrautheit und Ablehnung mit Lotte“, wie Traute als Ich-Erzählerin konstatiert.
Das liegt auch an der Sprödigkeit, mit der sich Lotte gegen Trautes Versuch sträubt, gemeinsame Erinnerungen aufzuwärmen. Und doch sind es diese Anmutungen, die nun Ich-Erzählerin Lotte dazu bringen, an jene Zeiten der gemeinsamen schöpferischen Höhenflüge zu denken. Zu denen Traute feststellt: „Lotte schöpfte Kunst aus dem Nichts, sie sah das Bild, bevor es entstand.“ Wobei ein Hauch von Neid durchschlägt, denn Traute hatte es stets an Selbstbewusstsein gefehlt, ihre eigenen künstlerischen Ambitionen intensiv zu verfolgen.
Was in diesem Roman über dieses weibliche Arbeitsbündnis in einer von Männern dominierten Kunstwelt dabei eine große Rolle spielt, ist die Malerei selbst. Und wenn die Figur der Lotte deutlich vielfältiger und schärfer umrissen wirkt, liegt das weniger am Mangel an überlieferten Zeugnissen – sie war die Künstlerin und Traute die Muse und Freundin.
Es sei allerdings festgestellt, dass die beiden Frauen im wirklichen Leben bis an ihre Lebensende befreundet waren. Fazit: ein ruhig erzählter Künstlerroman, der mit seiner klaren und zuweilen poetischen Prosa ein echter Lesegenuss für anspruchsvolle Leser ist.

# Anne Stern: Mein Freundin Lotte; 366 Seiten; Kindler Verlag, Hamburg;

€ 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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