EMMA STONEX: DIE
LEUCHTTURMWÄRTER
Im Dezember 1900 verschwanden drei Wärter spurlos von Flaman Isles Lighthouse auf einer
Insel der Äußeren Hebriden. Ihr Verschwinden wurde nie aufgeklärt, für die englische
Autorin Emma Stonex, die ohnehin von Leuchttürmen fasziniert ist, wurde das Mysterium zur
Inspiration für ihren Roman Die Leuchtturmwärter.
Stonex verlegt diese Geschichte die eine von vielen möglichen zu den rätselhaften
Ereignis erzählt in die Jahre 1972 und 1992. Und sie wählt hier den Maiden Rock
Leuchtturm an einem anderen Standort, 28 Kilometer südlich von Land's End in Cornwall.
Ähnlich einsam wie sein reales Vorbild aber ist auch er und nur bei gutem Wetter auf dem
meerumtosten Betonsockel zu erreichen.
Hier entdeckt am Tag vor Silvester 1972 die Crew der neuen Schicht, dass das Stahltor von
innen verschlossen ist, und niemand reagiert auf Pochen oder Rufe reagiert. Als man
gewaltsam eindringt, wird die Verwirrung noch größer, denn es ist für zwei Personen
gedeckt und alles wirkt normal, nur ist keiner der dreiköpfigen Besatzung da. Außerdem
sind die beiden Uhren um Viertel vor 9 Uhr stehengeblieben und im Wetterlogbuch wurde ein
Sturm eingetragen, den es gar nicht gegeben hat.
Im Jahr 1992 meldet eine Zeitung: Schriftsteller widmet sich dem Mysterium vom
Maiden Rock. Diesem angesehenen Autor namens Dan Sharp gelingt es langsam Stück
für Stück, den drei damals verlassenen Frauen nicht nur die eher allgemein bekannten
Tatsachen zu entlocken, sondern auch das ein oder andere Geheimnis, das sie stets für
sich behalten hatten.
Da bekennt Michelle, die Freundin des jungen Vincent, dass sie die Hoffnung auf seine
Wiederkehr irgendwann aufgegeben und mit einem anderen Mann eine Familie gegründet hat.
Ohne sonderlich glücklich damit zu werden. Um so verbitterter erscheint Helen über das
Verschwinden ihres Ehemanns Arthur. Wobei sie die Leuchtturmwärter grantig
charakterisiert: Alle Wärter, die ich kannte, haben eines gemein ihnen war
ihre eigene Gesellschaft genug. Was offenbar auch auf seinen Kollegen Bill zutraf,
auf den Jennifer so unbeirrbar wartet, als müsste er jeden Augenblick heimkehren.
Die Geschichte wird allerdings ganz und gar nicht linear erzählt und eben das sorgt für
eine subtile Sogwirkung. Die Perspektiven wechseln und vor allem auch in die Vergangenheit
zu den Drei auf Maiden Rock. Ihre Einsamkeit, ihre Ängste wie auch so manche Schuld, die
auf jedem von ihnen mehr oder weniger lastet, kommen allmählich bruchstückhaft zutage.
Gerade hier auf dem Leuchtturm, umgeben von der grandiosen unbändigen Natur, entfalten
sich literarisch hinreißende Passagen von rauer Poesie. Die Autorin beweist zudem viel
psychologisches Gespür. Wenn die Interviews mit den drei Frauen dagegen blasser wirken,
so erklärt sich das vor allem mit deren Zurückhaltung. So viele Gefühle und geheime
Gedanken haben sie so lange tief in sich verborgen, da muss der Interviewer immer wieder
mit vagen Aussagen zufrieden sein.
Vom Ende dieses atmosphärisch dichten Romans sei nur noch verraten, dass es von einer
hervorragend beschriebenen schicksalhaften Banalität erzählt wie sie eben durch
eine der Möglichkeiten jenes nie geklärten Mysteriums sein könnte. Fazit: ein zugleich
ruhiger wie fesselnder Roman vor spektakulärer Kulisse.
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