ALEXANDER BARTL: „WALZER IN ZEITEN DER CHOLERA“


Am 1. Mai 1873 wurde in Wien die erste Weltausstellung auf deutschsprachigem Terrain eröffnet. Doch dieses Jahr stand für die österreichische Reichshauptstadt unter keinem guten Stern. Nur eine Woche später erschütterte ein Crash die Wiener Börse und auch die bis dato größte Weltausstellung wurde finanziell ein Fiasko.
Viel schlimmer aber: während sich die Stadt mit ihren Heerscharen illustrer internationaler Gäste noch feiert, naht aus dem Osten unaufhaltsam die große Seuche. Von diesem wilden Szenario und seinen Vorläufen berichtet nun Alexander Bartl in seiner Chronik „Walzer in Zeiten der Cholera“. Zum Einstieg erzählt er von jenem historisch bedeutsamen 24. Oktober 1873, als im Beisein von Kaiser Franz Joseph I. die Erste Wiener Hochquellenwasserleitung eingeweiht wird.
Der Schriftsteller und Journalist stützt sich bei seinen Ausführungen auf reichhaltige Quellen und springtt auch zwischen verschiedenen Zeiten und Orten. So beschreibt er Vorläufer-Epidemien und erste medizinische Rekenntnisse über die Cholera. Wobei sich dann das nach außen so glamouröse Wien hinter den Kulissen als „mehr denn je eine Brutstätte für Seuchen aller Art“ erweist, wie der Geologe Eduard Suess damals erklärte.
Er und der amtierende Bürgermeister der Metropole Cajetan Felder sind die Mahner und Initiatoren der neuen Wasserleitung. Schon 1858 hatte Suess die unhaltbaren Zustände der städtischen Wasserversorgung kritisiert. Das Wiener Trinkwasser war eine berüchtigte trübe Brühe und es gab Stadtbereiche, in denen bei höheren Wasserständen der hiesigen Gewässer die Bewohner ganzer Straßenzüge unter Durchfall litten. Und noch schlimmer, so Suess: „...sammelt man in Wien den unterirdischen Abfluss großer Friedhöfe und bringt denselben als Trinkwasser in die Mitte der Stadt.“
Doch die Widerstände gegen das Projekt waren weit verbreitet und das galt dann noch mehr, als die Cholera 1873 endgültig ausgebrochen war und viel Maßnahmen dagegen angefeindet wurden – sehr ähnlich wie hinsichtlich der aktuellen Pandemie und sogar schon damals mit teils ähnlichen „Argumenten“. So versuchten Obrigkeit und Meidne anfangs auch nach allen Kräften, die ersten Seuchenfälle insbesondere unter den internationalen Gästen zu vertuschen.
Da geriet der Bau der Hochquellenwasserleitung zum Politikum und Wien in ein Rennen um die wichtigste Hilfe gegen die Seuche. Das weitgehend verloren wurde, nicht zuletzt danl solch aberwitziger Pannen wie die vielen Rohrbrüche. Zu sehr hatte die Verwaltung geknausert und unzureichend starke Eisenrohren bestellt. So erfolgte die feierlich Einweihung der segensreichen Einrichtung erst an jenem 24. Oktober 1873, genau eine Woche for dem Abschluss der Weltausstellung.
Alexander Bartl schildert das Alles höchst lebendig als geradezu romanhaft erzählendes Sachbuch. Besonders zu loeben ist dabei das authentische Zeit- und Lokalkolorit. Zugleich zeigen die Ausführungen üver vorherige Seuchenzüge zum Beispiel in Indien und Russland die Brisanz solcher Ausbrüche und wie auch in vor-globalen Zeiten aus einer Epidemie ganz schnell und kaum vermeidbar eine Pandemie werden konnte.

# Alexander Bartl: Walzer in Zeiten der Cholera; 351 Seiten, div. SW-Abb.; HarperCollins Verlag, Hamburg; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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