CLAIRE MESSUD: „WUNDERLAND“

 
Nora Eldridge war immer die pflichtbewusste Tochter und noch mit 37 ist sie alleinstehend und empfindet sich als unsichtbar. Zu brav für die eigenen Wünsche, hat sie ihre zaghaften künstlerischen Ambitionen längst aufgegeben. Alles was sie hat: als Grundschullehrerin ist sie sehr beliebt.
„Wie wütend ich bin? „Das wollen Sie gar nicht Wissen.“ So lautet denn auch der Eingangssatz von „Wunderland“, dem jüngsten Roman von Erfolgsautorin Claire Messud. Es sei vorweg gesagt, dass Ich-Erzählerin Nora diese Aussage mit jetzt 42 macht, nach einer schmerzlichen Achterbahneinlage ihres Lebens.
Die mit einem neuen Schüler ihren Lauf nimmt. Reza ist liebenswert und charmant und der Sohn von Eltern, die nur auf Zeit in den USA leben, weil der libanesische Vater Skandar Shahid eine Gastprofessur hier in Massachusetts übernommen hat. Im Nu wächst der schöne Achtjährige Nora ans Herz. Als es dann zu einem Mobbing gegen Reza mit Verletzungen kommt, lernt sie auch dessen Mutter Sirena kennen. Und ist sofort fasziniert von dieser nur wenig älteren Italienerin mit der prachtvollen Erscheinung.
Und Nora gerät in einen regelrechten Taumel, denn Sirena ist Künstlerin – eine „echte“ im Gegensatz zu ihr selbst, wie sie es empfindet – die ihr nun sogar anbietet, das angemietete großzügige Atelier mit ihr zu teilen. Sirena, die eigentlich mit ihrer Familie in Paris lebt, arbeitet aktuell an einer großen Installation mit dem Titel „Wunderland“ und sie zieht Bora mit ihrer Dynamik in den Bann.
Auch die beginnt nun, ihre alten künstlerischen Ideen wiederzubeleben, Serien von winzigen Dioramen von Wohnungen berühmter Künstler zu fertigen. Doch ihr überschwengliches Glücksgefühl wird immer wieder getrübt, wenn die obsessive und gebieterische Sirena mal eben verreist, ohne Nora auch nur ein Wort zu sagen. Noch weniger erkennt sie jedoch, dass sie insbesondere für die Rolle als Rezas Babysitterin gebraucht wird.
Der charmante Skandar aber vertieft noch Noras Taumel der Gefühle, die in beängstigender Weise in eine immer tiefere Abhängigkeit von dieser schönen wie auch glamourösen Familie führen. Endlich meint sie, etwas von dem zu erleben, das ihr zusteht, und das führt bis hin zu Anwandlungen sexueller Träume.
Doch „Wunderland“ soll ja in Paris ausgestellt werden und der US-Aufenthalt ist zeitlich begrenzt. Noch schlimmer aber wirkt sich ein Verrat Sirenas aus – mehr aber soll hier nicht verraten werden. Die ausführlich und mit viel psychologischem Fingerspitzengefühl erzählte Geschichte wird zu einem regelrechten Drama um Sehnsüchte, Abhängigkeit und die Folgen zu einseitiger Freundschaften.
Fazit: ein überzeugender opulenter Roman, allerdings mehr etwas für weibliche Leser.

# Claire Messud: Wunderland (aus dem Amerikanischen von Monika Baark); 381 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 1583 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de