MEG ROSOFF:
SOMMERNACHTSERWACHEN
Es ist Tradition, jeden Sommer für sechs Wochen zu dem alten Haus am Meer zu fahren, das
der Familie seit jeher gehört. Freiheit für jeden und schon deshalb viel Harmonie
genießen die Eltern samt den vier Kidnern. Diesmal gesellt sich nebenan auch noch Vaters
Cousine Hope mit ihrem Verlobten Malcolm dazu.
Mit diesem Setting beginnt Meg Rosoffs neuer Jugendroman Sommernachtserwachen.
Quirlig und dennoch beschaulich geht es zu und die Ich-Erzählerin, das älteste der
Kindern, umreißt die Protagonisten. Da sonnt sich die 16-jährige Mattie in ihrer gerade
erst erblühten Attraktivität, während sich die jüngere Tamsin ausschließlich wie
immer für das Reiten auf dem nahen Gestüt interessiert.
Ähnlich einseitig verhält sich auch der kleine Alex, der nur Sinn für alles mögliche
Getier hat, allen voran Fledermäusen. Die Ich-Erzählerin wiederum ist eine stille
Beobachterin, die gern zeichnet und die Gegend mit ihrem Fernrohr absucht. Und wie die
Anderen überrascht ist zu hören, dass Hope und Malcolm am Ende der Ferien hier im
kleinen Kreis heiraten wollen.
In diese Idylle platzen jedoch die Halbbrüder Kit und Hugo, die Söhne von Florence
Godden. Sie ist ein allmählich alternder Filmstar und die Patentante Hopes. In den
Sommerferien pflegt sie die beiden Jungen bei Freuden oder in der Familie zu parken. So
uiehen der 19-jährige Kit, ein wahrer Apoll, und der blasse abweisende 17-jährige Hugo
ein im Feriendomizil.
Wie mit dem Vergrößerungsglas beobachtet die Ich-Erzählerin nun mit Staunen, wie Kit
als lässiger Charmeur ihre eitle Schwester mit Raffinesse umgarnt. Es war von
Anfang an schwer zu sagen, was Kit eigentlich wollte, stellt die Ältere bald fest,
denn Mattie giert regelrecht nach ihm und lässt sich im Handumdrehen von ihm verführen.
Um dann bis zur Verzweiflung mal auf Distanz gehalten, mal wieder hofiert zu werden.
Zugleich verwirrt er die Ich-Erzählerin mit subtilen Annäherungsversuchen und
sorgt für ein Aufwallennur schwer zu unterdrückender Empfindungen. Immer dreister wird
Kits Spiel und immer größer das Aufschäumen von Verunsicherung und Chaos in der kleinen
Feriengesellschaft. Während der Beobachterin einerseits klar wird, welchen Hass der
verschlossene Hugo offenbar auf Kit hat, verfällt sie andererseits selbst dem ebenso
unersättlichen wie rücksichtslosen Spieler und das als durchaus nicht letztes Opfer.
In einem unentrinnbaren Sog treibt das Spiel des Fauns ins Fiasko und Hugo verrät der
Ich-Erzählerin, welch üble Wirkungen Kit überall zu hinterlassen pflegt: Er ist
ein Zerstörer. So auch hier in dieser Idylle am Meer mehr aber sei hier
nicht verraten, denn der brillant konstruierte Roman sorgt mit vielen originellen Zügen
für ein starkes Finale.
Meg Rosoff fesselt bis zuletzt mit ihren sehr gut gezeichneten Charakteren in dieser nur
schwer zu durchschauenden aber schlüssigen Geschichte eines Sommers, der mächtig aus dem
Ruder läuft. Das ist mit feiner spitzer Feder geschrieben und fast zu schade
nur für einen Jugendroman ab etwa 14 Jahre.
|