SHEIKH NEFZAWI: „DER PARFÜMIERTE GARTEN“


Der englische Abenteurer und Afrikaforscher Sir Richard Francis Burton (1821-1890) erlernte 29 Sprachen und interessierte sich intensiv für exotische Gebräuche. Insbesondere das Zwischenmenschliche war von besonderem Interesse für ihn und so verdanken wir ihm die Übertragung des indischen Liebeshandbuchs „Kama Sutra“ in westlichen Sprachen.
Weniger bekannt blieb eine andere Pretiose der orientalischen erotischen Literatur: „Der parfümierte Garten“, dessen Übersetzung selbst dem unermüdlichen Burton nur unvollständig gelang. Nun liegt eine bibliophil aufgemachte Ausgabe auf Deutsch vor. Als Autor ist Sheikh Nefzawi angegeben, mutmaßlich ein Richter aus Süd-Tunesien. Verfasst sein soll das Werk im frühen 15. Jahrhundert.
Der vollständige Untertitel lautet „Ein Handbuch arabischer Liebeskunst. In der Fassung von Richard Francis Burton, übersetzt von Alfred Goubran“. In den ausführlichen Nachbemerkungen erläutert der österreichische Herausgeber die schwierigen und nicht gänzlich erfolgreichen Bemühungen Burtons um eine möglichst originalgetreue und vollständige Übertragung des Buches. Zumal er im wesentlichen auf eine erste Übersetzung durch einen französischen Kolonialoffizier zurückgreifen musste, die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden war.
Das offenbar für den Großwesir von Tunis verfasste Handbuch bedient sich einer schwülstigen Sprache, wie man sie insbesondere bei diesem Sujet und aus diesem Kulturkreis wohl kaum anders erwarten durfte. Der Aufbau des Buches mit seinen 21 Kapiteln ist recht komplex mit vielen Fußnoten sowie zahlreichen Einschüben unter anderem in Form von Versen. Den eigentlichen Charme dieses außergewöhnlichen Werks aber macht diese Mischung aus Unterweisung in Liebesdingen, veranschaulichenden Beispielen und den hocherotischen Schilderungen der Anwendung all dieser Lehren aus.
Sehr explizit werden wichtige Dinge erklärt, die das Liebesspiel perfekt machen sollen. Da spielen Vorspiel und Koitus eine zentrale Rolle, wobei es als ausgesprochen modern überrascht, wie sehr der islamische Lehrmeister die Wichtigkeit des einleitenden Verwöhnen der Frau betont, damit diese auf jeden Fall ihr „bleibendes Vergnügen“ bekommt.
Ein ganzes Kapitel widmet sich den Sexualpositionen bis hin zu Ratschlägen zum Umgang mit fetten Partnern. So sinnvoll und selbst aus heutiger Sicht offen und modern manche Tipps auch klingen – schon damals wurde die Bedeutung inniger Küsse beim Sex hervorgehoben – so unfreundliche klingt dagegen die Warnung: „Hüte dich vor dem Verkehr mit alten Frauen, denn das ist wie Gift für dich.“ Aber auch ansonsten gibt es Einzelheiten und Empfehlungen, die schlicht abstrus sind. Oder von deren Befolgung sogar unbedingt abzuraten ist.
Gleichwohl hat dieses Liebeshandbuch eine höchst erotische Grundlinie, bei der die Sprache mal orientalisch blumig, mal auch deftig, immer aber explizit die Dinge und Vorgänge beim Namen nennt. Da darf man sich an machen wilden Kopulationsgeschichten voller morgenländischen Sinnenfreuden sattlesen. Und es sei angemerkt, dass Burton auch für die Übertragung der „1001 Nächte“ ins Englische verantwortlich war – manche der hier zur Ausschmückung der Lehren eingefügten Geschichten ähneln den deftigsten der bekanntlich durchaus nicht jugendfreien Erzählungen Sheherezades.
Fazit: ein literarisches Juwel der besonderen Art, jedoch wahrlich nichts für prüde Geister.

# Sheikh Nefzawi: Der parfümierte Garten. Ein Handbuch arabischer Liebeskunst (aus dem Englischen von Alfred Goubran); 287 Seiten; Braumüller Verlag, Wien; € 24

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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