STEPHEN KING: „BILLY SUMMERS“


Ein Berufskiller als der fast einzige Gute in einem großen Roman? So etwas schafft wohl nur ein Stephen King. „Billy Summers“ heißt der Titel und das ist auch der Held der verwegenen Geschichte, die klassischen Mustern folgt und zugleich ebenso aktuell wie meisterhaft erzählt ist.
Billy ist jetzt 44 und denkt nach 18 erfolgreichen Aufträgen ans Aufhören. Wobei er stets auf dem Grundsatz bestanden hat, nur schlechte Menschen zu töten. Einen solchen soll er nun auch im Auftrag von Nick Majarian, einem Las Vegas-Boss, erledigen. Quasi einen Kollegen, der so übel ist, dass er sogar gezielt einen unschuldigen Teenager getötet haben soll.
Billy als alter Hase hat seine Geschäftspartner stets als der vermeintliche „Einfältige“ in Sicherheit gewogen. Um so verdächtiger erscheint ihm das Honorar für diesen Hit: 2 Millionen Dollar mit großem Vorschuss. Er kennt die klassischen Filme um die typischen letzten Aufträge, die stets fatal enden. Andererseits ist die Summe einfach zu verlockend, um abzulehnen.
Natürlich kann er sich denken, dass die Zielperson etwas ganz Gefährliches wissen muss, um so prämiert zu sein. Und der Aufwand, den seine Auftraggeber betreiben, ist beträchtlich. Und sorgt umständehalber für Begleitumstände, die Billy zu etwas bringen, von dem er seit langem träumt. Mag er sich auch mit seinem Tun als „Müllmann mit Waffe“ sehen, hegt er heimlich großes Interesse an anspruchsvoller Literatur und möchte selbst gern schreiben.
Da die Zielperson noch wegen anderer Delikte anderswo einsitzt und man auf die Überstellung in der Mordsache an das hiesige Gericht in Red Bluff warten muss, soll Billy die Zeit ausgerechnet als Schriftsteller überbrücken, der in der Kleinstadt in Ruhe arbeiten will. Einer der Auftraggeber spielt seinen Literaturagenten und das Büro liegt in Schussweite des Gerichtsgebäudes.
Damit beginnt der Roman im Roman, denn Billy fängt sofort an zu schreiben. Im Stil zwar vermeintlich einfältig – wegen der internen Beobachter – erfindet er jedoch nichts, sondern widmet sich seiner eigenen Biografie. Nachdem man bereits Einblicke in die Geisteswelt eines Auftragsmörders erhielt, erfährt man nun auch Billys bitteren Weg in dieses Leben.
Mit elf erlebt er, wie der brutale Freund der Mutter seine kleine Schwester umbrachte. In seiner Not erschoss Billy ihn mit der eigenen Waffe. Nach Pflegefamilien landet er schließlich bei den Marines und als Scharfschütze im Irak-Krieg. Da wurde er anschließend geradezu folgerichtig vom Veteranen zum Auftragskiller.
Selbstverständlich klappt auch der letzte Auftrag, doch ebenso selbstredend soll Billy gelinkt werden. Mit Cleverness vorläufig sicher abgetaucht, kommt es dann zu einem Zwischenfall, der alles ändert. Er rettet eines Nachts eine junge Frau, die von drei Typen vergewaltigt wurde Notgedrungen, denn es passiert vor dem Haus, in dem er wohnt, und da kann er keine neugierige Polizisten gebrauchen.
Während er diese Alice aufpäppelt, hört er von seinem einzigen Vertrauten in New York, dass ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt worden ist. Da staunt er fassungslos: „Wer zahlt sechs Millionen Dollar dafür, dass man einen Killer killt, der einen anderen Killer killt?“ Womit nun ein hinreißender Roadtrip nach Colorado einsetzt, mit Alice an seiner Seite und weiteren Passagen seiner traumatisierten Autobiografie.
Billy belässt es jedoch nicht bei Flucht und Untertauchen, sondern geht selbst auf die Spur der säumigen Auftraggeber. Mit Hochspannung pur geht es in ein Finale mit Nachschlag und wenn dieser raue, ungekünstelte literarische Ritt – übrigens ohne Spuk oder Gruselelemente – dann zuende ist, bleibt nur noch zu sagen: eine grandiose und absolut filmreife Gangsterstory, im besten Sinne altmodisch und zugleich ganz aktuell.

# Stephen King: Billy Summers (aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt); 719 Seiten; Heyne Verlag, München; € 26

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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