TOM F. LANGE: PETRONICA
Die Satyrica des antiken Dichters Petronius sind zwar nur in Teilen
überliefert, doch sie gelten als der erlesenste literarische Schatz aus jener Zeit, als
Nero Kaiser war. Als aristokratischer Spötter wie auch als Höfling des narzisstischen
Herrschers zog er über alles und jeden her was vielleicht auch der Grund war, dass
er im Jahr 66 n.Chr. Selbstmord beging.
Nun hat sich der österreichsiche Autor Tom F. Lange (angeblich das Pseudonym eines
bekannten Schriftstellers) der gewaltigen Aufgabe unterzogen, einen Roman über diesen
Petronius zu verfassen. Petronica. Die ganze Welt treibt Theater lautet der
Titel. Und Lange hat dafür nicht nur spürbar und ausweislich des großen
bibliografischen Anhangs ausführlich recherchiert, er versteht es auch, im Sprachduktus
der lateinischen Hochzeit zu schreiben.
Auch die Herangehensweise ist raffiniert, denn Lange behandelt das Gesamtwerk wie einen
Fund, den nun ein alter Mann mit großer Kennerschaft schildert. Überliefert hat diese
Manuskripte und biografischen Notizen Giton, der frühere Haussklave des Petronius. Und
natürlich lässt der Autor auch diesen selbst neben dem Alten und Giton zu Worte kommen.
Petronius galt als Meister in der Kunst des erlesenen Geschmacks und hier nun erzählt er
selbst vom Leben und Treiben bei Hofe und in der Gesellschaft schlechthin. Wobei er
genüsslich mit spitzer Zunge hinter die Kulissen der strahlend pompösen Fassade des
großen Rom schaut. All die Blender, Protzer, Wüstlinge und Pädophilen allen sich in
maßloser Weise und Petronius ist ihr gnadenloser Chronist.
Es eröffnet sich eine wahre Wundertüte an literarischen Versatzstücken von Berichten,
Dialogen wie im Theater und so manchen überlieferten Originalzitaten. Es entsteht ein
einzigartig bunter Teppich aus Realem und Fiktivem, aus historischen Fakten und adäquat
Fantasiertem. Und es gipfelt in einer gut vorstellbaren letzten Boshaftigkeit Petronius',
als dieser in Ungnade fällt: eine Schmähschrift mit einem Sündenregister als direkter
Brief an den exaltierten Nero so maßlos er sich ärgern mag, er könnte ihn doch
niemandem zeigen.
Geschrieben ist das alles so geistreich, spitzfindig und ebenso deftig wie von filigraner
sprachmächtiger Satire. Doch es sei gewarnt: dieser Roman, der in so einzigartiger Weise
den Petronius imitiert, ist ein ebenso geistsprühendes wie schwer zu entwirrendes
literarisches Schwergewicht.
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