IAN McGUIRE: „DER ABSTINENT“


Historisch belegt ist, dass am 23. November 1867 in Manchester drei Mitglieder der „Fenian Brotherhood“, die bei einem Überfall auf einen Gefangenentransporter einen Polizisten getötet haben sollen, aufgehängt wurden. Dieses Ereignis hat der englische Erfolgsautor Ian MgGuire als Vorlage für seinen jüngsten Roman „Der Abstinent“ genommen.
Die Konflikte zwischen den Iren und den englischen Herren über die grüne Insel brodelt seit langem. Mit der Hinrichtung der Fenians aber kommt es zu einem ersten blutigen Höhepunkt auf englischem Boden, denn die Bruderschaft – eine Art Vorgängerorganisation der IRA – schwört Rache. Dafür lässt sie eigens aus den USA Stephen Doyle anreisen.
Mit dem aus Irland stammenden raubeinigen US-Bürgerkriegsveteran hat man einen hier unbekannten Aktivisten angeworben, der in dem jahrelangen brutalen Ringen zu einem verrohten seelischen Krüppel geworden, der keinerlei Skrupel kennt. Ihm gegenüber aber steht mit dem Constabler James O'Connor ein ähnlich kaputter und zugleich hartgesottener Gegenspieler.
Auch er ist Ire und war in seinem Heimatland Polizist. Bis ihm Ehefrau und Sohn wegstarben und er so erbärmlich dem Alkohol verfiel, dass es ihn fast umgebracht hätte. Trockengelegt und in die aufstrebende englische Industriestadt Manchester strafversetzt, hat er als Ire unter den englischen Kollegen einen schweren Stand. Misstrauisch beäugt und immer wieder beleidigt, bleibt er ein Außenseiter zweiter Klasse unter den Kollegen.
Doch gerade er wird nun nicht nur ein Angriffsziel der Fenians, sondern auch der adäquate Gegner für Doyle. Weil er ähnlich kaputt ist, aber auch ein ähnlich einsamer Wolf als Kämpfernatur. Ihr Zweikampf, wie sie einander belauern und umschleichen und auszutricksen versuchen, beherrscht das grobkörnige Geschehen so weit, dass der stoische Polizist dem gedungenen Attentäter schließlich sogar bis nach Amerika nachreist.
„Der Abstinent“ ist ein düsterer Roman mit vielen menschlichen Abgründen. Zugleich beschreibt der Autor das Ambiente mit den abgestumpften Hungerleidern, die dunkle Schäbigkeit der Arbeiterquartiere und der Kneipen wie auch das Kreisen um Suff und billigem Essen derartig authentisch, dass man die Gerüche, die Enge und das Frieren sehr real nachzuempfinden vermeint.
Fazit: keine leichte Kost aber ein starker, beklemmender historischer Roman vor realem Hintergrund.

# Ian McGuire: Der Abstinent (aus dem Englischen von Jan Schönherr); 336 Seiten; dtv Verlag, München; € 23

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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