MAARTEN t'HART: DER
NACHTSTIMMER
Gabriel Pottjewijd heißt der kauzige Held des jüngsten Romans von Maarten t'Hart. Er
gitl als einer der besten Orgelstimmer der Niederlande und als solcher ist der
Ich-Erzähler nun unterwegs in eine kleine schmuddelige Hafenstadt in Südholland.
Mag Gabriel auch im Erzählen ein Umstandskrämer sein, so ist er doch höchst penibel in
seinem Handwerk. Das er im Übrigen hier tagsüber nicht ausüben kann, denn gleich neben
der Kriche liegt eine Werft mit ganz viel Lärmentfaltung. So muss er notgedrungen auf die
Nachtstunden ausweichen, weshalb denn dieser Roman auch den Titel Der
Nachtstimmer trägt.
Der Empfang in der Stadt, in die man ihn ja wegen der prächtigen Orgel gerufen hat,
dämpft seine Stimmung arg, denn schmuddelig ist alles hier einschließlich seines
düftigen Zimmers und die Leute verhalten sich so unfreundlich wie der Gastwirt. Selbst
das Essen passt sich dem an. Und wenn sich dann auch noch im Schankraum eine Horde
strenggläubiger Christen über Haarspaltereien in der Bibelauslegung ereifern, kommen bei
Gabriel ausgesprochen herbe Aufwallungen des Widerspruchs hoch.
Man könnte den Eigenbrötler verstehen, wenn er dieser unerfreulichen Provinz am liebsten
umgehend wieder den Rücken kehren würde. Doch seine Arbeit beschert ihm im Handumdrehen
zwei Überraschungen, die ihn sogleich beseelen. Da stellt sich die gestellte Gehilfin,
die er als Tastendrückerin braucht, als unglaublicher Glücksfall heraus.
Stumm ist diese Lanna und allgemein wird das wenig hübsche Kind für geistig behindert
gehalten. Gabriel aber entdeckt hohe Talente an ihr, denn sie versteht auf Anhieb, woraus
es bei der Arbeit ankommt und sie verrichtet ihre Aufgaben mit viel Geschick. Vor allem
jedoch wird Lanna stets von ihrer Mutter begleitet, einer Kapitänswitwe namens Gracinha.
Und wie alle Männer hier betört diese Brasilianerin mit ihrer Grazie und Schönheit auch
den eher unbeholfenen Gabriel sofort. Unmissverständlich gibt sie ihm zu verstehen, dass
Annäherungsversuche unerwünscht und aussichtslos sind. Womit er keine Ausnahme unter
sämtliche Männern hier darstellt. Allerdings gibt er sich ohnehin bei aller Verliebtheit
keinerlei Illusionen hin, weiß er doch nur zu gut, dass er weniger Sex-Appeal als
ein Mistkäfer hat.
Gracinhas Kochkünste dagegen darf er mit ebensolcher Begeisterung genießen wie Lannas
Anstelligkeit. Um so neidvoller bemerken die Provinzler, wie dieses seltsame Trio immer
vertrauter miteinander umgeht. Da kommt es zu Anfeindungen und sogar zu
gemeingefährlichen Attacken. Und so viel sei noch verraten: dieser insgesamt recht
gemächliche aber auch skurrile Roman hat tatsächlich ein so schräges Happyend, dass es
fast schon wieder glaubhaft wirkt.
Fazit: eine Geschichte, so schnurrig und mit verschmitztem hintergründigem Humor, wie die
Verehrer des niederländischen Kultautors das von ihm seit vielen Jahren schätzen.
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