CHRISTINE DREWS:
FREIFLUG
Sehr geehrte Frau Maiburg, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 2. Mai 1974 und Ihr
Interesse an unserem Unternehmen. Da weibliche Flugzeugführerinnen in unserer
Gesellschaft aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zum Einsatz kommen, müssen wir Ihre
Bewerbung leider ablehnen. Doch Rita Maiburg, 22 Jahre alt und auf eigene Kosten
ausgebildete Pilotin mit Bestnoten, bietet der Lufthanse die Stirn und geht vor Gericht.
Die Vita der leidenschaftlichen Fliegerin, die zweimal unterliegt und dennoch zumindest
erreicht, die erste Linienflugkapitänin der Welt zu werden, war für Erfolgsautorin
Christine Drews die Inspiration zu dem Roman Freiflug. Die wahre Geschichte
Rita Maiburgs wird hier allerdings nicht zu einem Justizdrama, vielmehr wirkt sie als
roter Faden in einem sehr realen Gesellschaftsroman aus der Mitte der 70er Jahre.
Die haben den Ruf eines wilden Aufbruchjahrzehnts, doch trotz Hippies, Aufbegehren der
Jugend und revolutionärer Gedanken und Musik war die gesellschaftliche Situation
insbesondere für Frauen noch von vorgestern. Kinder, Küche, Kirche galten als ihre
Dreieinigkeit und selbstverständlich gab frau die Berufstätigkeit nach der
Eheschließung auf. Noch abwegiger als das nicht zu tun, war nur der bewusste Verzicht auf
eine Ehe.
Den hauptanteil des Geschehens trägt hier Katharina Berner, 1940 als Nesthäkchen in eine
katholische, erzkonservative Kölner Unternehmerfamilie geboren. Da gibt es kein
Verständnis für die junge Rechtsanwältin, dass sie eine eigene Karriere statt eine Ehe
anstrebt. Was schwer genug ist, denn in der angesehenen Anwaltskanzlei leidet sie unter
lauter männlichen Chauvis.
Und sie hat es immer wieder mit Scheidungsfällen zu tun, die die aus heutiger Sicht
unglaubliche Rechtlosigkeit der Frau aufzeigen. Bei Scheidungen, weil er sich seine
ehelichen Rechte auch bei Ablehnung nimmt, droht der Frau womöglich gar,
schuldig geschieden zu werden. Doch auch eine Berufsausübung oder ein eigenes
Konto setzen das Wohlwollen des Gatten voraus.
Als Katharina sich dann befreit und selbständig macht, wird auch das ein harter Weg der
Emanzipation mit vielen Stolpersteinen. Um so willkommener ist da eine Mandantin wie die
junge Pilotin, die sich erdreistet, den klaren Verstoß gegen die vom Grundgesetz
garantierte Gleichheit von Mann und Frau vor Gericht zu bringen.
Was nicht nur vor den rundum männerbeherrschten Gerichten zu abstrusen Begründungen
führt, auch die Presse sorgt voller Voreingenommenheit fast komplett für Spott und
Häme. Dass Rita Maiburg angesichts der damals allgemein gültigen Lebenswirklichkeit der
Frauen unterliegt, kann da kaum verwundern.
Da musste sie es schon als Triumph annehmen, dass sie eine Regionalfluglinie auf einer
Fokker 50 als Flugkapitänin einsetzte. Wobei sie aus Rücksicht auf die ängstlichen
Passagiere diese aber stets nur durch die Stewardess als Flugkapitän Maiburg
begrüßen durfte. Bereits 1977 verstarb die Pionierin durch einen Verkehrsunfall und es
sollte noch elf Jahre dauern, bis die Lufthansa eine erste Pilotin ins Cockpit ließ.
Insgesamt ist dies die Geschichte zweier Emanzipationen aus gesellschaftlichen
Situationen, die so für jüngere Generationen wohl kaum noch vorstellbar sind. Sprachlich
und stilistisch ist das Alles recht einfach gehalten und scheut sich auch nicht vor
Stereotypen. Dennoch liest sich die Lebenswirklichkeit mitten aus den 70er Jahren gerade
wegen des authentischen Zeit- und Lokalkolorits sehr interessant.
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