ANNALENA McAFEE:
BLÜTENSCHATTEN
Eve Laing heißt die Heldin von Annalena McAfees jüngstem Roman
Blütenschatten und sie ist eine außergewöhnliche Hauptfigur. Weder wirklich
sympathisch, bringt man dieser Eva, die sich gewissermaßen selbst aus dem Paradies
verbannt, auch kaum Mitleid entgegen. Und ist doch bald fasziniert von ihr.
Dabei benötigt dieser mit hinreißend geschliffener Sprache erzählte Roman zunächst
etwas Geduld, wenn man die 60-jährige Malerin auf ihrem nächtlichen Spaziergang folgt.
Als berühmte Blumenmalerin aktuell auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, läuft sie nun nach
einem Blick von außen auf ihr einstiges nobles Zuhause in West-London zu ihrem
geräumigen Atelier in einer ehemaligen Fabrik in einem Industrieviertel.
Dabei reflektiert sie ihre Vita und zerpflkückt dabei bissig und mit gnadenloser
Unbestechlichkeit jeden Wegbegleiter. Ohne sich bewusst zu sein, wie viel sie dabei auch
über sich selöbst verrät. Wie sie als Kunststudentin zur Muse des viel älteren großen
Porträtmalers Florian Kis wurde. Der sie einerseits mit dem berühmten Gemälde
Mädchen mit Blume verewigte, andererseits aber auch ungeniert ins Bad
verbannte, während er sich mit einer anderen vergnügt.
Dann die Kommilitoninnen, die noch viel später als Rivalinnen unheilvolle Rollen spielen
werden, und schließlich Ehemann Kristof. Der Architekt wurde zum Star und Millionär und
sie zur willfährigen Geisha mit viel schnödem Luxus. Und Tochter Nancy, die Eve nur als
mittelmäßige Göre enttäuschte.
Bis sie schließlich den Absprung wagte und nach dem großen Durchbruch mit dem viel
bewunderten und oft abgekupferten Underground Florilegium nun zum Opus Magnus
für eine Retrospektive in New York ansetzt: an sieben Monumentalgemälden mit den
giftigsten Pflanzen der Welt arbeitet sie gleichzeitig.
Was sich wenig aufregend anhört, wären da nicht diese spektakulären Begleitumstände,
die sich zunehmend eröffnen. Die ganz und gar egozentrische Eve ist nicht nur völlig von
ihrer Obsession erfüllt, sie hat sich auch einen Assistenten an ihre Seite geholt. Dieser
halb so alte Luka dient zugleich als Bettgeselle und nicht umsonst empört sich ihre
Tochter: Eine Großmutter, die ihren erfolgreichen Mann für einen jugendlichen
Lover verlässt. Was dann auch an die Medien durchsickert, mit gravierenden Folgen.
Und der Künstlerroman treibt mit immer neuen Eröffnungen über Eve als faszinierendem
Miststück aber auch bösartigen Machenschaften gegen sie in ein ebenso irres wie geradezu
auch philosophisches Finale. Fazit: ein grandios erzähltes, verwegenes Stück Literatur,
das sich langsam aber unaufhaltsam zum Thriller steigert.
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