MARY E. PEARSON: „ZWEI UND DIESELBE“

 
Schon bei der Erstauflage war Mary E. Pearsons ungemein fesselnder und tiefgründiger Roman „Zwei und dieselbe. Das vergessene Leben der Jenna Fox“ für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2010 nominiert. Und das Thema hat seither eher noch an Aktualität gewonnen.
Um so erfreulicher ist die jetzige Neuauflage dieses schleichend unheimlichen Wiedererwachens der 17-jährigen Ich-Erzählerin, die nach dem Koma emotionslos von sich sagt: „Früher war ich jemand namens Jenna Fox.“ Nun aber muss sie alles erst erlernen, wer ihre Eltern sind, wie sich Dinge anfühlen. Aber war war vorher? Warum hat sie hier an ihrer Schule offenbar keinerlei Freunde, ja nicht einmal eine Vergangenheit?
Rätsel über Rätsel auch, als sie eine umfangreiche Sammlung von DVD mit typischen Videokameraaufnahmen aus ihrer Kindheit und Jugend studiert. Die da gezeigte Jenna scheint ähnlich fremd und unwirklich wie Eltern und Großmutter Lily. Nüchtern und mit hoher Intelligenz forscht Jenna heimlich nach der Wahrheit.
Doch erst eine Verletzung führt sie zu einer ersten erschreckenden Entdeckung: das da in dem tiefen Schnitt an der Hand sind künstliche Knochen und Sehnen. Und sie stößt auf Geheimnisse ihres Daseins, als sie ihre Eltern mit unausweichlichen Erkenntnissen konfrontiert. Ein verheerender Autounfall hatte ihren Körper so weitgehend zerstört, dass ihr Vater als Arzt nur noch zu illegalen medizinischen Möglichkeiten greifen konnte.
Jenna muss erfahren, dass nur noch zehn Prozent ihres Gehirns gerettet werden konnten. Der Rest ihres Körpers wurde samt Hirn-Scan quasi „nachgebaut“ und mit all ihrem Sarkasmus stelklt sie die Frage, welches Verfallsdatum das Biogel denn wohl habe, aus dem der neue Körper so täuschend echt nachgebildet wurde. Und sie wirft ihren Eltern vor, dass sie sie von jeher nur auf Wunderkind getrimmt hätten: jetzt sei sie das ja endlich, „das künstliche Wunderkind aus dem Labor.“
Was denn auch der Dreh- und Angelpunkt dieser unter die Haut gehenden Geschichte ist, was Menschsein, Bewusstsein, was das Ich ausmacht. Es gibt dazu bewusst keine Antworten, um so mehr hallt der hervorragend geschriebene Roman nach und regt zum Nachdenken an. Fazit: ein hintergründiger Roman nicht nur für anspruchsvolle Leser im Teenageralter.

# Mary E. Pearson: Zwei und dieselbe. Das vergessene Leben der Jenna Fox (aus dem Amerikansichen von Gerald Jung und Katharina Orgaß); 331 Seiten; Fischer KJB, Frankfurt; € 15

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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