FRANZOBEL: „DIE EROBERUNG AMERIKAS“


Es gibt zahllose Bücher einschließlich von Romanen über die völkermordenden spanischen Konquistadoren mit legendären Berühmtheiten wie Cortez und Pizarro. Welcher nicht eingehend mit dieser Epoche Bewanderte hat schon einmal von Hernán de Soto gehört?
Als Begleiter Pizarros hatte er großen Anteil an dessen Eroberungszügen, war durch Sklavenhandel reich geworden und mit kaum 40 Jahren bei der Heimkehr nach Spanien ein hoch angesehener und wohlsituierte Mann. Doch es juckte den Edelmann, ähnlichen Ruhm wie die berühmten Eroberer zu erringen und eine ungestüme Gier spielte auch eine Rolle. So ließ er sich 1538 zu einer eigenen großen Expedition hinreißen, unter vollem Einsatz all seines Vermögens wollte er Florida und vieles mehr erobern.
Das aber wurde zum größten Desaster, das je einer der Konquistadoren erlitten hat. Als nun der österreichische Kultautor Franzobel auf genau diese Geschichte der erfolglosesten aller Expeditionen stieß, stand für ihn fest: daraus sollte sein neuer Roman werden. Und nun liegt der unter dem Titel „Die Eroberung Amerikas“ vor.
Franzobel unternahm intensive Recherchen an den historischen Schauplätzen vor, um das Wirken dieses weitgehend der Vergessenheit anheim gefallenen Helden von der besonders traurigen Gestalt zu erkunden. Schon eingangs macht der Autor kein Hehl aus einer Besonderheit: „Aus heutiger Sicht war das 16. Jahrhundert vor allem ein: brutal.“ Die Epoche der spanischen Entdecker und Eroberer war ein besonders blutiges Kapitel der Kolonialgeschichte und Franzobel nennt es expliziert beim Namen, wie barbarisch die Soldateska – immer begleitet von Scharen katholischer Geistlicher - mit den indigenen Völkern umging.
Wobei sich Ferdinand Desoto, wie ihn Franzobel respektlos nennt, sogar noch gern hervortat. Doch es sollte ihm alles schieflaufen. Er stieß mit seinen über 700 Mann schon in Florida auf sogenannte Indianer, die einerseits ausgesprochen primitiv und andererseits meist nicht sehr unterwürfig waren. Statt der erträumten Goldfunde fanden die Spanier üppig wuchernde Natur, schwer erträgliche Klimaverhältnisse, quälende Insekten und Fieber vor.
Vor allem aber sorgten die Konflikte mit der indigenen Bevölkerung für viele Verluste und Mangelversorgung. Wozu der eigene blutrünstige Umgang mit ganzen Völkerstämmen immer wieder selbstverschuldete Angriffe schürte. Die strapaziöse Expedition zog sich über mehrere Jahre bis in die heutigen Südstaaten und an den Mississippi hin.
An dem Desoto 1542 in Fieberkrämpfen verstorben sein soll. Dass man ihn als den mutmaßlichen europäischen Entdecker des Flusses eingeordnet hat, dürfte kaum ein Trostpflaster für den jämmerlich Gescheiterten gewesen sein. Um so unrühmlicher war die Blutspur, die diese Truppe hinterließ. Und selten wurden derartige Unmenschlichkeiten so detailliert und explizit geschildert wie in diesem Roman.
Dass der darüber nicht in ein unerträglich düsteres Maß kippt, hat er der speziellen Erzählform Franzobels zu verdanken. Da durchsetzt er ganze Passagen mit markantenm bis groteskem Humor, benutzt allerlei Verfremdungen im stil, wenn er den Leser direkt und mit sehr heutiger Sprache anspricht.
Überdies gibt er dem Roman eine gediegene kleine Rahmenhandlung bei. Die so hintersinnig zum Thema passt, wenn da im Heute ein findiger Anwalt mit dem schönen, sehr amerikanisch klingenden Namen Trutz Finkelstein eine Sammelklage der indigenen amerikanischen Völker gegen die USA vertritt. Deren Forderungen: nicht weniger als die Rückgabe aller gestohlenen Gebiete an die rechtmäßigen Besitzer.
Fazit: ein wüster, zuweilen nur schwer zu ertragender Roman mit realem historischen Geschehen und zugleich ein Geniestreich sondergleichen.

# Franzobel: Die Eroberung Amerikas; 544 Seiten; Paul Zsolnay Verlag, Wien; € 26

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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