IVA PROCHÁZKOVÁ: „DIE RESIDENTUR“


Geworg Arojan eilt zu Fuß durchs nächtliche Prag und wird auf offener Straße durch drei Schüsse regelrecht hingerichtet. Die Täter sind zwei Kleinganoven im Auftrag eines größeren Strippenziehers. Arojan war Journalist und Blogger und stammte aus dem (fiktiven) Kasmenien im Grenzgebiet zu Russland.
Das ist der Einstieg zu dem Politthriller „Die Residentur“, verfasst von der tschechischen Erfolgsautorin Iva Procházková. Der Ermordete war soeben zurückgekehrt und hatte brisante Informationen über Machenschaften der Russen gegen seiner Heimat. Und es hat sich in Tschechien eine Gruppe Freischärler zusammengefunden, die ganz konkrete Übungen veranstalten, um in dem bedrängten Land gegen die Russen zu kämpfen.
Einer der jungen Männer ist Richard, der idealistische Sohn des hohen Ministerialbeamten Stipan Chytil, der aktuell mit guten Aussichten um ein Mandat im Europawahlkampf durchs Land zieht. Nach außen ein sauberer Diener seines Landes mit intakter Familie, ist er in Wirklichkeit korrupt und erpressbar und sein Sohn verachtet ihn.
Bei der ohnehin schwachen Polizei finden Marta Alte und ihr neuer Kollege Brian Jukl zwar bald wichtige Spuren, doch es gibt in ihren Kreisen auch heimliche Bremser der Aufklärungsbemühungen. Je kritischer es für gewisse Kreise wird, desto mehr greifen insbesondere jene ebenso geheimen wie skrupellosen Geheimdienstkräfte ein, die ungeniert wie in alten KGB-Tagen aus der russischen Botschaft – der titelgebenden Residentur – gesteuert werden.
Die Mörder Arojans werden erneut beauftragt und die üppigen Honorare dafür steuert ein russischer Oligarch bei. Allerdings geht nicht alles nach Plan, wie Schicht um Schicht entlarvt wird. Und welche Kräfte da wie ihre Kreise ziehen, deuten eingestreute Presseberichte an, wenn da zum Beispiel vom Auftragsmord an einem Georgier in Berlin durch gewisse Dienste die Rede ist.
Auch deshalb wirkt dieser sehr dicht und genau geschriebene Thriller sehr aktuell. Wobei er weniger durch 007-Action fesselt, vielmehr überzeugt hier das verzwickte Geflecht widerstreitender politischer und Agentenkräfte im Stile von John le Carré. Fazit: ein anspruchsvoller, komplexer und sehr realistischer Roman auf einem wohltuend wenig abgenutzten Schauplatz.

# Iva Procházková: Die Residentur (aus dem Tschechischen von Mirko Kraetsch); 573 Seiten; Braumüller Verlag, Wien; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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