ERIN MORGENSTERN: „DAS STERNENLOSE MEER“


„Tief unter der Erdoberfläche, fernab von Sonne und Mond, am Ufer des sternenlosen Meers, liegt eine labyrinthartige Ansammlung von Tunneln und Räumen, die voller Geschichten sind.“ Damit eröffnet der Pirat eine Geschichte für das Mädchen, das ihn am Abend vor seiner Hinrichtung im Kerker besucht.
Und das ist auch der Einstieg in den neuen Roman von Erin Morgenstern, der eben diesen Titel trägt: „Das sternenlose Meer“. Im Mittelpunkt steht jedoch der introvertierte Student Zachary Ezra Rawlins. In der Phase seiner Abschlussarbeit lenkt sich der leidenschaftliche Bücherwurm immer wieder selbst ab bei Besuchen in der Bibliothek.
Bis ihn ein mysteriöser Fund aus der Bahn wirft, ein in rotes Leder gebundenes Buch mit dem Titel „Süßes Leid“. Als er darin liest, stößt er auf die Geschichte seiner eigenen Kindheit, haargenau erzählt. Natürlich muss er ergrnden, werd der namenlose Verfasser des Werkes ist. Was ihn als erstes auf einen Maskenball in New York führt, wo er geheimnisvolle Menschen kennenlernt, die er aber nur schwerlich in gut oder böse einzuordnen vermag.
Da ist der mysteriöse, sehr eindringliche Dorian, der dann vom „Club der Sammler“ entführt wird. Zu denen gehört auch Allegra, deren Absichten offenbar nicht erfreulich sind. Vor allem aber – wer ist die merkwürdige Mirabel, die Türen malt? Doch ohnehin mäandert das Geschehen geradezu zielstrebig in diesen andere Welt, da wo das sternenlose Meer von Häfen umsiedelt wird.
Das hört sich schon bis hierhin ungewöhnlich an und das bleibt es auch auf rätselhafte surreale Weise voller Geschichten in der Geschichte in der Geschichte. Es sind mystische Erzählungen mit hintergründiger Symbolik, mit Weisheiten und einzigartigen Metaphern und Bildern. Doch was zuweilen unzusammenhängend erscheint und immer neue Mythen und Fabeln einstreut, reiht sich irgendwann auf zu einem Gesamtbild, wenn Zeit und Schicksal zueinanderfinden.
Von besonderer Bedeutung sind die stets wiederkehrenden Symbole von Biene, Schwert und Schlüssel. Die ganze Geschichte dieses Buches einfach nachzuerzählen ist quasi unmöglich, zu vielschichtig und verwoben ist dieser grandios verschachtelte Roman mit seinen hervorragend gezeichneten Charakteren. Zudem verbietet es sich geradezu, das glanzvolle Gesamtbild vorab beschreiben zu wollen.
Mit seinen verschlungenen surrealen Ebenen wie auch der anderen Welt des sternenlosen Meers und magischen Wesen wie dem Eulenkönig gehört dieser opulente Roman ins Genre Fantasy für Erwachsene. Wer sich einer solchen Mysterienwelt in der realen zu öffnen bereit ist und Gduld und Konzentration für ein hoch komplexes Buch mitbringt, findet hier ein majestätisches Meisterwerk.

# Erin Morgenstern: Das sternenlose Meer (aus dem Amerikanischen von Karin Will); 636 Seiten; Blessing Verlag, München; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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