JOSEPH CONRAD: „DER NIEMAND VON DER 'NARCISSUS'“


Bevor Joseph Conrad (1857-1924) mit „Herz der Finsternis“ endgültig zu einem der ganz Großen der Weltliteratur aufstieg, hatte er mit „The Children of the Sea“ einen Achtungserfolg. Diese Novelle hatte jedoch mit einem Problem zu kämpfen, das sich bereits in dem vom Autor durchgesetzten Titel der US-Ausgabe hinderlich bemerkbar machte.
„Der lautete „The Nigger of the 'Narcissus'“, wobei das Kaufhemmnis für die durchweg weiße Käuferschicht offensichtlich war: wen sollte in den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts ein Buch interessieren, in dessen Mittelpunkt ein Schwarzer steht?! Für moderne Auflagen der Novelle aber verbot sich im Englischen wie in deutschen Übersetzungen das verpönte, verächtlich machende N-Wort.
Um so verdienstvoller ist die von Mirko Bonné neu übersetzte und herausgegebene Neuausgabe des Klassikers unter dem Titel „Der Niemand von der 'Narcissus'“. Bekanntlich fuhr der gebürtige Pole Conrad selbst 20 Jahre zur See und brachte es bis zum Handelsschiffskapitän. Als er die Geschichte vom hünenhaften schwarzen Matrosen Jimmy Wait auf der schicksalhaften letzten Fahrt der Dreimastbrigg verfasste, griff er auch echte Vorgaben zurück.
Es gab diesen Handelssegler wirklich und Conrad selbst diente 1886 aus dessen Fahrt von Bombay nach Dunkerque als 2. Offizier darauf. Bonné hat dem Werk eine herbe Sprache verliehen, die die groben Dialoge zwischen den rauen Seeleuten ebenso authentisch vermittelt, wie er auch in Passagen von spröder Poesie Conrads exzellente Schilderungen von Meer, Himmel und Schifffahrtsstimmung hervorragend wiedergibt.
Von dem im Original häufiger auftretenden N-Wort macht er sparsam Gebrauch, wo es unumgänglich ist, um die Vorlage nicht zu sehr zu verfälschen. Er erläutert in einem Ausführlichen Nachwort die Feinheiten der Übersetzung, bei denen er den Begriff „Nigger“ dem auf den Tod kranken Jimmy selbst bei Dialogen in den Mund legt.
Auch ansonsten erläutert er seine Übersetzungsarbeit überzeugend. So kommt der raue Slang glaubhaft rüber und die gesamte Atmosphäre hartgesottener Seemannsromantik, die mit Romantik im eigentliche Sinne herzlich wenig gemein hat. Dieser kleine Romane einer beinahe fatal endenden Fahrt glänzt mit seiner maritimen Unmittelbarkeit, die der Autor aus eigenem Erleben bestens kannte und sprachlich glänzend umzusetzen wusste.
Samt Erläuterungen, Glossar und in bibliophiler Aufmachung im Schuber ist diese Neuausgabe ein Bücherschatz vor allem für Liebhaber der alten Seefahrt.


 

# Joseph Conrad: Der Niemand von der 'Narcissus' (aus dem Englischen von Mirko Bonné), 255 Seiten, im Schuber; marebuchverlag, Hamburg; € 32


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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