ANDREAS PFLÜGER:
GEBLENDET
Andreas Pflüger hat Wort gehalten: Jenny Aaron, die blinde Sonderermittlerin mit dem
eidetischen Gedächtnis, den hypersensiblen Sinnen und der Haltung des Bushido ist
zurück. Doch anders als in Endgültig und Niemals steht am Anfang
des Thrillers eine Andere.
Wie Aaron hat auch sie eine Art Übervater, der allerdings zu Monströsem anleitet: auf
perfide Weise macht er die Zwölfjährige zur Killerbestie. Mit Folgen, wie sich später
in diesem Hochspannungsroman unter dem Titel Geblendet noch erweisen wird. Bei
Aaraon aber, die ihr Augenlicht ja bei einem missglückten Einsatz mit ihrer
Spezialeinheit verlor und dennoch wegen ihrer spektakulär entwickelten
Sinneswahrnehmungen zur Abteilung zurückgeholt wurde, gibt es Anzeichen, dass
ihre Blindheit nicht irreversibel ist.
Gibt es also eine Wendung für ihr Leben in der Klinik von Professor Thomas Reimer auf
Rügen? Die revolutionäre Therapie (die es in Wirklichkeit durch den Hirnforscher
Bernhard Sabel gibt!) scheint anzuschlagen, doch Aaren taumelt duch die Nebenwirkungen,
denn das Anwachsen erster Seherfolge lähmt die übrigen seit der Erblindung so hoch
entwickelten Sinne.
Und da hinein platzt der infernalische Anschlag auf die Abteilung, diese
geheime Sondertruppe deutscher Sicherheitskräfte, die dorthin geht, wo der Einsatz
anderer Kräfte nicht zielführend wäre. In einem Bürohaus mitten in Berlin
diskret untergebracht, geht sie durch eine Bombe quasi unter. Die bezahlte Attentäterin
war Malin, gewissermaßen die dunkle Schwester im Geiste von Aaron. Mit sehr ähnlichen
Fähigkeiten.
Ihr Auftraggeber Jasper Mason jedoch sitzt in den USA und leitet die extrem geheime
CIA-Sondereinheit SAD mit einer vielköpfigen Söldnertruppe für schmutzige Einsätze.
Für Malin, die Killerin aus der Eingangszene, aber gab es auch sehr persönliche Gründe
für diesen Einsatz, denn Aaron und deren engster Kollege Pavlik sollen einst ihren Vater
bei einem Einsatz getötet haben.
Um so verblüffter hört sie, dass das Ziel, die Abteilung und vor allem auch deren
exzellente Chefin Demirci zu eliminieren, trotz über 50 Toten quasi misslungen ist:
sieben waren nicht zugegen und werden nun zu sieben Samurai. Allen voran Aaraon. Und sie
bekommen Unfassbares heraus, denn der Berliner Innensenator Svoboda entpuppt sich als
übler Drahtzieher mit Beziehungen zu Mafia-Kreisen.
Demirci entdeckt nicht nur die Verbindung zwischen ihm und Mason, sie zieht ihrerseits
ihre Fäden als geheime Geliebte von BKA-Chef Palmer. Es kommt zu immer neuen heftigen
Schlagabtäuschen, wo mal Aaron und Malin sich einen unentschiedenen Kampf im Dunkeln
liefern, mal die kalte Kampfmaschine mit dem Grundsatz Nur in billigen Filmen haben
Profikiller ein Berufsethos, das Opferbereitschaft einschließt in einem
atemberaubenden Kampf die Killertruppe abschaltet, mit der Mason sie als Mitwisserin
liquidieren lassen will.
Schließlich treibt diese adrenalindurchseuchte Achterbahn auf ein absolut filmreifes
Finale an der Kathedrale Sagrada Familia in Barcelona zu. Doch dieser auch intellektuell
anspruchsvolle Abschluss der grandiosen Trilogie um Jenny Aaron hat weit mehr zu bieten
als nur ganz viel knallharte Action, denn Andreas Pflüger kredenzt exzellent gezeichnete
Charaktere und knackige Dialoge samt knorrigem Humor. Hinzu kommt als besondere Qualität
diese überwiegende Erzählperspektive aus der Sicht der blinden Hauptfigur und deren
Hadern mit den Ansätzen einer medizinisch denkbaren Heilung: Die wahre Wirklichkeit
ist für das Auge unsichtbar.
Zudem webt der Autor souverän Menschliches aber auch die Philosophie des Budo, der
japanischen Kampfkünste, mit ein, was diesem Thriller ebenso Tiefe gibt wie kleine
Appetithäppchen zum Beispiel einer kalten neuen Kanzlerin namens Fugger, die auf herbe
Weise erpressbar wird. Fazit: ein Thriller auf Weltniveau.
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