PEER MARTIN: HOPE
Mathis Mandel aus Kanada, 19 Jahre alt und Möchtegernjournalist, hat einen irren Plan
für eine Reportage der besonderen Art. Dafür sitzt er jetzt im südafrikanischen
Johannesburg und hält Ausschau nach einem passenden Flüchtling, den er über
Lateinamerika in die USA begleiten will. Brasilien soll erste Station sein, weil man dort
leichter an Papiere kommt.
Das ist der Einstieg in einen der packendsten Jugendthriller der letzten Jahre und man
spürt die intensive Recherche, die Jugendbuchpreisträger Peer Martin dafür vorgenommen
hat. Hope. Es gibt kein Zurück. Du kommst an. Oder du stirbst lautet der
Titel. Doch schon die Begegnung mit dem elfjährigen Flüchtlingskind Tadaleshi aus
Somalia hat einen dramatischen Auftakt, denn Mathis gerät in einen brutalen
Ladenüberfall und es ist dieses dürre gewitzte Kind, das ihn rettet.
Hope ist sein Spitzname, also Hoffnung, und die macht sich das Kind, das in Brasilien
seine geflohene Familie zu finden hofft. Nur bruchstückhaft erfährt Ich-Erzähler
Mathis, was Hope alles schon durchgemacht hat. Das Schlimmste aber entdeckt er erst viel
später, als das Kind in einem Elendslager bewusstlos und nackt vor ihm liegt: Hope ist
ein Mädchen und es wurde in der islamischen Heimat auf primitivste Weise beschnitten.
Bis dahin aber haben die Beiden längst Unvorstellbares auf ihrem Flüchtlingszug
durchlitten. Die ganze Panamericana von den Elendshütten im Süden bis zum reichen Norden
mit seinen Einkaufsparadiesen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten diesen Weg
hatte sich Mathis vorgenommen: Niemand hatte ihn bisher mit Flüchtlingen gemacht.
Ich würde der Erste sein.
Sein Plan umfasst jedoch mehr als das, denn seine Reportage soll auch die Fluchtgründe
der Menschen verständlich machen. Ob es die schiere Armut ist, die Folgen der
Klimaveränderung, die Vermüllung der Meere oder die Anarchie in etlichen
lateinamerikanischen Staaten mit ihren Bandenkriegen. Um den Romantext nicht zu
überfrachten, hat der Autor immer wieder Seiten mit nüchternen Fakten eingefügt. Und es
sei vorweg gesagt: diese Verschnaufpausen im Lesestoff sind erforderlich, denn diese
unfreiwillige moderne Völkerwanderung wird von schier unfassbaren Erlebnissen begleitet.
So naiv Mathis auch den Weg begonnen haben mag und wie die so unerschütterliche Hope
schlimmste Quälereien und Erniedrigungen durchmachen muss das wahrhaft
Unerträgliche an den immer neuen barbarischen Exzessen von Banden wie auch der Polizei
ist das Bewusstsein, dass dies alles aus dem echten Leben geschildert wird. Zusammen mit
den asiatischen Flüchtlingen Akash und Roshida haben es die Beiden dann vermeintlich
geschafft und geraten stattdessen in die unfassbare Hölle von Nuevo Laredo.
Man fiebert als Leser mit und vieles ist kaum zu ertragen in seiner realistisch
wiedergegebenen Niedertracht und Unmenschlichkeit. Vor allem aber wird kein Zweifel daran
gelassen, dass Geschehnisse wie die hier von Mathis Mandel erzählten seit Jahren und
weiterhin ununterbrochen an der Tagesordnung sind.
Peer Martin hat mit Hope ein grandioses Buch zum Thema geschrieben, das bis
zuletzt auch wegen seiner hinreißenden Charaktere aufs Heftigste fesselt und aufwühlt.
Und ja, es ist ein Roman, der wegen seiner Härten erst ab 16 zu empfehlen ist, zugleich
aber ist es eine fiktive Reportage von etwas erschreckend Realem.
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